a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z

Giuseppe Sardi

Architekt

geb. 24.04.1624



Venedig
(Vater: Antonio Sardi aus Morcote;
Mutter: Bianca Raggi)
°° 1643 Maria Bertoni
gest. 21.09.1699 Venedig

Giuseppe Sardi gehört zu den bedeutendsten Architekten Venedigs in der Übergangszeit von der Renaissance zum Barock. Seine Kirchen und Paläste, die noch heute zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen, zeichnen sich durch reichen, manchmal überbordenden Fassadenschmuck mit Säulen und Skulpturen aus. Eine der bekanntesten ist die Barfüsserkirche Santa Maria degli Scalzi, die man als erstes zur Linken erblickt, wenn man mit dem Zug ankommt.

Santa Maria degli Scalzi, Venedig, GIuseppe Sardi

Giuseppe Sardi, Kirche Santa Maria degli Scalzi, Venedig, 1672-80

Ausbildung
Im Sog der Tessiner Steinmetze, die seit dem 15. Jahrhundert nach Venedig kamen und sich einen guten Ruf erworben hatten, eröffnete Giuseppes Vater Antonio im Jahre 1605 eine Werkstatt. Er stammte aus Morcote, damals der wichtigste Handelshafen am Südende des Luganersees. In Venedig lockten vor allem die zahlreichen Bauprojekte der Adeligen und der Zünfte, die miteinander um die Errichtung der schönsten Paläste und Kirchen wetteiferten. Bereits vor Sardi waren dort berühmte Künstler tätig: Architekten wie Sansovino und Longhena und Maler wie Tizian und Tintoretto verliehen der Stadt ihr heutiges Aussehen.

In der väterlichen Werkstatt erhielt Giuseppe eine solide Ausbildung, zunächst als Steinmetz und dann als Architekt. Nach ersten Aufträgen auf dem Festland führte er nach dem Tod des Vaters im Jahre 1661 noch dessen unvollendete Bauten in Venedig zu Ende. Zum Beispiel die Fassade der Kirche San Salvador unweit der Rialto-Brücke.

Kirche San Salvador, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Fassade der Kirche
San Salvador
in Venedig, 1663

Im Dreieck (Tympanon) über dem Portal ist der Stifter verewigt, der reiche Tuchhändler Jacopo Galli.

Die Kirche selbst war von einem anderen Tessiner erbaut worden, Tullio Lombardo (1455-1532) aus Carona. Sie beherbergt zahlreiche Kunstwerke, darunter ein Ölgemälde von Tizian, Die Verkündigung, 1564. Die Statuen an der Fassade und die krönende Figur des Erlösers schuf Bernardo Falconi (ca.1630-1696) aus Rovio.

Auf dem gleichen Platz, dem Campo San Salvador, gestaltete Sardi etwas später die Fassade der Scuola Grande di San Teodoro.

Scuola Grande di San Teodoro, Venedig, GIuseppe Sardi

Giuseppe Sardi, Fassade der Scuola Grande di San Teodoro, Venedig, 1655

Hier versammelten sich die Mitglieder verschiedener Zünfte von Händlern und Handwerkern, die sich gegenseitig in sozialen Belangen zur Seite standen. Wie alle Laienbruderschaften in Venedig - es gab über 200 grosse und kleine - wurde auch diese im Zuge der napoleonischen Reformen im Jahre 1807 aufgelöst. Heute wird das Gebäude für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Die fünf Figuren am Giebel, der Hl. Theodor und vier Engel, stammen ebenfalls vom bereits erwähnten Bernardo Falconi.

Paläste
Inzwischen waren auch Privatleute auf Sardi aufmerksam geworden und beauftragten ihn mit dem Bau stattlicher Häuser, sei es auf einem der Plätze oder am Ufer eines Kanals. Als Beispiele seien genannt:

Palazzo Surian

Palazzo Surian Bellotto, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi, Palazzo Surian, 1662

Dieser eindrucksvolle Palast mit asymmetrischer Fassade am Cannaregio-Kanal gehörte der armenischen Familie Surian. Er diente später als französische Botschaft, verfiel aber leider im 19. Jahrhundert und wurde seiner prächtigen Innendekoration beraubt. Heute befindet er sich in Privatbesitz.

Palazzo Savorgnan
Ganz in der Nähe errichtete Sardi für die alteingesessene Patrizierfamilie Savorgnan einen eleganten Palast mit einem heute öffentlichen Park auf der Rückseite.

Palazzo Savorgnan, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Palazzo Savorgnan,
1685

Das Gebäude ist seit 1971 Verwaltungssitz der Provinz Venetien, die umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchführen liess.

Palazzo Flangini
Die Familie Flangini stammte von der Insel Zypern, die lange unter venezianischer Herrschaft stand. Girolamo Flangini erkaufte sich 1664 mit den von der Staatskasse geforderten 100.000 Dukaten die Aufnahme ins Patriziat und ließ am Cannarregio-Kanal diesen Palast errichten. Da er jedoch die angrenzenden Gebäude nicht erwerben konnte, blieb das Gebäude unvollendet.

Palazzo Flangini, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Palazzo Flangini,
Venedig, 1664-1682

Nach dem Aussterben der Familie Flangini im Jahre 1804 - der letzte war Lodovico, Patriarch von Venedig - ging der Palast an verschiedene Besitzer über, ist aber relativ gut erhalten.

Zwischenspiel: der schiefe Turm von Venedig und das Grabmal für den Admiral Lazzaro Mocenigo
1678 entwarf Sardi den Turm für die Kirche Santa Maria dei Carmini, der jedoch wegen eines Fehlers des ausführenden Baumeisters gefährlich schief wurde. Letzterer erhielt dafür den Spitznamen Der Verdrehte, aber für Sardi war die Sache nicht so lustig. Die Fachleute plädierten für den Abriss, er jedoch versuchte mit allen Mitteln, den Turm wieder aufzustellen - und es gelang ihm!

Turm der Kirche Santa Maria dei Carmini, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Campanile der Kirche
Santa Maria dei Carmini, 1678

Seine Kenntnisse der Statik riefen allgemeine Bewunderung hervor und trugen dazu bei, seinen Ruf zu festigen.

Bald folgte ein Auftrag von höchster Seite: Der Admiral Lazzaro Mocenigo, der 1651 in zwei Seeschlachten die Türken besiegt hatte und 1657 bei einem Angriff auf Konstantinopel fiel, sollte mit einem prächtigen Grabmonument geehrt werden. Und dies auf Wunsch der mächtigen Familie Mocenigo, aus der mehrere Dogen hervorgingen.

Grabmonument Kirche San Lorenzo dei Mendicanti, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi, Grabmonument für den Admiral Lazzaro Mocenigo in der Kirche San Lazzaro dei Mendicanti, Venedig, 1658-65

In der Mitte sehen wir den Helden, links von ihm ein Relief der Schlacht um die Insel Kreta, die 22 Jahre von den Türken belagert wurde. Das rechte Relief zeigt die Seeschlacht von Paros (beide Szenen vom englischen Bildhauer John Bushnell). Die Statue links unten symbolisiert die Klugheit und diejenige rechts die Stärke (alle drei Statuen, auch die des Admirals, schuf der flämische Bildhauer Juste Le Court).

Auch die Fassade entwarf Giuseppe Sardi.

Fassade Kirche San Lazzaro dei Mendicanti, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Fassade der Kirche
San Lazzaro dei Mendicanti,
Venedig, 1673

Zwei späte Meisterwerke
Sardi war schon über 50 Jahre alt, als er die prunkvollen Fassaden entwarf, die jeden Besucher in ihren Bann ziehen.

Kirche Santa Maria degli Scalzi
1672 sollte er für die von Baldassare Longhena erbaute Barfüsserkirche Santa Maria degli Scalzi die noch fehlende Fassade gestalten. Der Auftraggeber, Girolamo Cavazza, war ins Patriziat aufgenommen worden und wollte sich seinen gesellschaftlichen Status etwas kosten lassen. Mit den 75.000 Dukaten, die er dafür auszugeben bereit war, sicherte er sich die damals teuerste Fassade und die einzige, die vollständig aus Carrara-Marmor bestand, mit 20 Säulen und 14 lebensgroßen Figuren.

Kirche Santa Maria degli Scalzi, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Kirche
Santa Maria degli Scalzi,
Venedig, 1672-80

Die vier Statuen neben dem Portal, die Madonna mit Kind darüber sowie die Hl. Katharina von Siena in der Nische oben links schuf wiederum Bernardo Falconi aus Rovio. Seine Statue des Hl. Thomas von Aquin auf der rechten Seite ging verloren. In der Kirche ist der letzte Doge der Republik Venedig begraben, Ludovico Manin, der 1802 starb.

Kirche Santa Maria del Giglio
Das erste, was einem an der Fassade, aber auch im Innern, auffällt, sind die vielen Figuren, Köpfe, Wappen und Reliefs mit Seeschlachten sowie die grosse Statue des Auftraggebers über dem Portal. In der Tat handelt es sich um eine Verherrlichung der Familie Barbaro, deren Mitglieder hohe politische und militärische Ämter innehatten.

Kirche Santa Maria del Giglio, Venedig, Giuseppe Sardi

Giuseppe Sardi,
Kirche
Santa Maria
del Giglio
,
Venedig, 1680-83

In der Mitte sehen wir den 1679 verstorbenen Antonio Barbaro, dargestellt als Kriegsheld, wie er es in seinem Testament gewünscht hatte. Rechts und links von ihm die symbolischen Figuren der Ehre, der Tugend, des Ruhmes und der Weisheit. In der untersten Reihe stehen sein Vater, sein Onkel und zwei Brüder in ihren Amtsroben.

Detail Fassade Kirche Santa Maria del Giglio

Giuseppe Sardi, Detail der Fassade der Kirche Santa Maria del Giglio, Venedig, 1680-1683

Die Figuren schufen der bereits erwähnte Bildhauer Juste Le Court und dessen Schüler Enrico Merengo (eigentlich Heinrich Meyring aus Westfalen), dem die unteren Statuen der vier Familienmitglieder zugeschrieben werden.

Das Staatsarchiv von Venedig besitzt einen von Sardi eigenhändig gezeichneten und signierten Entwurf für diese Fassade, das einzige erhalten gebliebene Projektdokument seiner ganzen Karriere.

Familie und Nachfolger
Giuseppe heiratete die Tochter eines Glasmachers auf der venezianischen Insel Murano und hatte bereits mit 20 Jahren einen Sohn, der aber nicht in seine Fußstapfen trat. Hingegen erwies sich der Sohn seiner Schwester Catarina, Domenico Rossi, als vielversprechend und wurde von Giuseppe unter die Fittiche genommen. In der Tat sollte er zu einem bedeutenden Architekten in Venedig werden.

Oft wurde behauptet, auch der Architekt der wohl am meisten fotografierten Kirche Santa Maria della Salute am Canal Grande, Baldassare Longhena (1598-1682), ein enger Freund der Familie Sardi, sei aus Maroggia im Tessin gebürtig. Dies ist nicht der Fall, wie gründliche Nachforschungen ergeben haben. Sie sind publiziert in:
Puppi L.: I Longhena a Venezia: da Brescia, non da Maroggia, in Varese R. (Hrsg.): Studi per Pietro Zampetti, Ancona 1993, S. 473-484.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Giuseppe in seinem Haus in der Nähe der Scuola Grande dei Carmini, in deren Kirche er 1699 begraben wurde.


Links


© U. Stevens 2012 / 2015

foot