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Giacomo Agustoni

Architekt

geb. ca. 1668


Rom? (Vater: Pietro aus Monte;
Onkel: Giacomo; Grossvater: Pietro)
°° 1695 Susanna Gruberova
gest. 3. Februar 1735 Plzeň / Pilsen, Tschechien

Giacomo Agustoni, in Tschechien als Jakub Auguston bekannt, war Architekt in Pilsen, der viertgrößten Stadt des Landes. Er schuf zahlreiche Bauten in barockem Stil: Bürgerhäuser, Kirchen und Schlösser, die mit dazu beigetragen haben, dass Pilsen zur Kulturhauptstadt Europas 2015 erklärt wurde.

Herkunft und Ausbildung
Wahrscheinlich wurde Giacomo um 1668 in Rom geboren, wo sein Vater Pietro und seine zwei Onkel, Bartolomeo und Giacomo, 1647 gemeldet waren (G. Martinola). Zuerst erhielt er eine Ausbildung als Stuckateur, bevor er zur Architektur überwechselte. Nach Pilsen holte ihn sein Onkel Giacomo (geb. 1624 in Monte, Tessin), der ca. 1650 als Architekt nach Pilsen gekommen war und 1661 eingebürgert wurde. Er errichtete dort nach dem Ende des 30jährigen Krieges (1618-1648), dem ein Drittel der Innenstadt zum Opfer gefallen war, die ersten Gebäude im nunmehr modernen, barocken Stil. Unter anderem leitete er den Umbau des alten Franziskaner-Klosters nahe dem Marktplatz, in dessen Kirche er 1701 auch begraben wurde.

Franziskaner-Kloster in Pilsen

Franziskaner-Kloster in Pilsen, in barockem Stil umgebaut von Giacomo Agustoni sen., ca. 1690

Das Kloster wurde in den letzten Jahren restauriert und beherbergt heute das Diözesan-Museum.

Es ist also anzunehmen, dass Giacomo nach der Lehrzeit in Rom dem Ruf seines Onkels nach Pilsen folgte, wohl ca. 1685, denn 1692 wurde er bereits eingebürgert.

Erste Bauten in Pilsen
Allmählich hatte sich die Stadt von den Verwüstungen des Krieges erholt, und es herrschte große Nachfrage nach repräsentativen Wohnhäusern.

Bürgerhäuser
Von den zahlreichen Bauten, die Giacomo in der Zeit von 1700-1730 für die zu Wohlstand gekommene Mittel- und Oberschicht entwarf, seien hier nur drei Beispiele aufgeführt.

Als erstes entstand 1698 das sogenannte Gerlach-Haus in der Dřevěná Straße, das heute das Museum für Völkerkunde beherbergt.

Museum für Völkerkunde in Pilsen

Museum für Völkerkunde
in Pilsen,
erbaut von Giacomo Agustoni,
1698

Die Residenz des Bischofs am Marktplatz (Platz der Republik) datiert von 1710.

Bischofsresidenz (Dekanat) am Platz der Republik in Pilsen

Bischofsresidenz (Dekanat) am Platz der Republik in Pilsen, erbaut von Giacomo Agustoni, 1710

Dass Giacomo ein gefragter Architekt war, bezeugt auch das Haus Nr. 29 in der Sedláčkově Straße, das ein Jahr vor seinem Tod entstand.

Bürgerhaus an der Sedláčkově Straße in Pilsen

Bürgerhaus an der
Sedláčkově Straße in Pilsen,
erbaut von Giacomo Agustoni,
1734

Kirchen und Klöster
Ab etwa 1710 erhielt Giacomo auch Aufträge seitens des Klerus. Zum Beispiel für die zum Dominikanerkloster gehörende St. Anna Kirche.

St. Anna Kirche in Pilsen

St. Anna Kirche in Pilsen,
erbaut von Giacomo Agustoni,
1712-1735

1734 erhielt Giacomo den Auftrag, Pläne für den Umbau des alten Klosters in Chotěšov bei Pilsen zu liefern. Wegen Geldmangels zog sich die Fertigstellung bis 1756 hin.

Umbau des Klosters Chotěšov bei Pilsen

Umbau des Klosters Chotěšov bei Pilsen nach Plänen von Giacomo Agustoni, bis 1756

Zu diesem Kloster gehörte auch die St. Veit Kirche in Dobřany südlich von Pilsen, die er 1727-1734 erbaute. Mit ihrem ovalen Grundriss und einer Kuppel ist sie ein barockes Juwel, das heute gerne als Kulisse für Hochzeiten benutzt wird.

St. Veit Kirche in Dobřany bei Pilsen

St. Veit Kirche
in Dobřany bei Pilsen,
erbaut von Giacomo Agustoni
1727-1734

Schlösser
Giacomo beschäftigte sich ab 1706 auch mit dem Bau von Schlössern, zuerst nach Entwürfen anderer Architekten.

Schloss Nebílovy
Da das heutige Tschechien bis 1918 zum Habsburger Reich gehörte, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Adeligen am Geschmack der Hauptstadt Wien orientierten. Einer der gefragtesten Architekten dort war Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745), der unter anderem in Rom bei Carlo Fontana aus Novazzano gelernt hatte. Es ist also gut möglich, dass der gleichaltrige Giacomo Agustoni ihn kannte und daher mit der Ausführung des Schlossbaus betraut wurde. Auftraggeber war der Generalfeldmarschall Adam Heinrich von Steinau, der sich nach einer langen Karriere in Nebílovy niederließ.

Schloss Nebílovy bei Pilsen

Schloss Nebílovy bei Pilsen, erbaut von Giacomo Agustoni nach Plänen von Johann Lucas von Hildebrandt, 1706-1719

Einige der von Giacomo erbauten Schlösser sind in sehr schlechtem Zustand, etwa diejenigen in Radnice, Rochlov, Dolní Lukavici, Tynec und Bušovice.

Schloss Přícrichovice im Bezirk Pilsen

Schloss Přícrichovice im Bezirk Pilsen, erbaut von Giacomo Agustoni, 1718-1719

Schloss Přícrichovice diente während des 2. Weltkriegs als Tuberkulose-Spital und bis 1993 als Kaserne. Heute wird es für kulturelle Veranstaltungen der Stadt Pilsen genutzt.

Schloss Mirošov
In den Jahren 1719-1723 baute Giacomo das frühere Renaissanceschloss im barocken Stil um.

Schloss Mirošov

Schloss Mirošov, in barockem Stil umgebaut von Giacomo Agustoni, 1719-1723

Das Gebäude wird heute für Ausstellungen, Theateraufführungen und Konzerte genutzt.

Schloss Mirošov

Schloss Štěnovice bei Pilsen, erbaut von Giacomo Agustoni, 1723

Seit 1994 ist das Anwesen in Privatbesitz. Es wurde vollständig restauriert und wird heute für Hochzeiten in elegantem Ambiente angeboten.

Schloss Trpísty
Nach Jahrzehnten der Verwahrlosung wird das 1723-1729 von Giacomo erbaute Schloss seit 2002 restauriert.

Schloss Trpísty, erbaut von Giacomo Agustoni

Schloss Trpísty,
erbaut von Giacomo Agustoni
1723-1729

Auftraggeber war Graf Prosper Anton von Sinzendorf, aus einem alten bayerisch-österreichischen Adelsgeschlecht, der rund um das Schloss einen englischen Landschaftsgarten mit seltenen Bäumen anlegen liess.

Typisch für Giacomo Agustoni ist dieses Portal mit zwei Atlanten, das er in Abwandlungen öfters für den Paradeeingang eines Schlosses verwendet.

Portal zur Gartenseite am Schloss Trpísty

Giacomo Agustoni,
Portal zur Gartenseite
am Schloss Trpísty, 1723-1729

Heute ist Trpísty einer der letzten Landsitze aus dem 18. Jahrhundert in Böhmen, der in seiner ursprünglichen Bauweise und Umgebung erhalten ist.

Familie und Nachfolger
Giacomo Agustoni hatte sechs Kinder. Sein Sohn Vaclav arbeitete öfters mit, jedoch ist über dessen weiteres Leben nichts bekannt. Begraben wurde Giacomo in der von ihm erbauten Kirche St. Anna in Pilsen.

Literatur

Links


© U. Stevens 2011/2015

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