a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z
Enrico Zuccalli
Architekt |
|
geb. ca. 1642 |
Roveredo, Graubünden, Schweiz (Vater: Giovanni) °° 1682 Maria Magdalena Caduff |
gest. 8. März 1724 | München |
Porträt:
Vermutlich Enrico Zuccalli
mit dem Plan des Theatinerklosters
in München
Unterschrift
von Henrico Zuccalli
Enrico Zuccalli war Hofarchitekt in München, wo er Residenzen, Kirchen und Adelspaläste im Barockstil entwarf, die noch heute zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen.
Geboren wurde Enrico um 1642 in Roveredo, dem Stammsitz der weit verzweigten Familie Zuccalli. Sein Vater Giovanni war als Stuckateur in Süddeutschland tätig, u.a. am Dom von Kempten. Die zahlreichen Maurerfamilien in und um Roveredo, die sich zu einer Art Zunft zusammengeschlossen hatten, bildeten schon damals ihre Söhne im Ort aus.
Die streng geregelte Lehrzeit dauerte mindestens drei Jahre und endete mit der Verleihung des Titels Magistro
.
Nach eigenen Angaben hielt er sich 1661 in Rom auf, wo er insbesondere die Bauten des bedeutendsten Barockarchitekten, Gian Lorenzo Bernini (1598-1680), studierte. Anschließend reiste er nach Frankreich. In einem Brief seines Schwagers Gaspare von 1668 wird ein Verwandter erwähnt, der in Frankreich beim Bau der Residenz des Königs (Versailles) als einer der Hauptbaumeister tätig sei. Es könnte sich also gut um Enrico handeln, denn die Tatsache, daß er im Alter von erst 31 Jahren 1673 zum Hofbaumeister in München ernannt wurde, läßt darauf schließen, daß er bereits über Erfahrungen und gute Referenzen verfügte.
Die Übersiedlung nach München ist wohl dem Mann seiner Schwester Dominica, Gaspare Zuccalli, zu verdanken, der dort als Architekt tätig war. Glück hatte er auch insofern, als die Frau des Kurfürsten Ferdinand Maria (reg.1651-1679), Henriette Adelheid von Savoyen, aus Turin stammte und für den italienischen Barock schwärmte. Sie las wohl seinen Bewerbungsbrief, in dem er nicht gerade bescheiden darum bat, angemessen bezahlt und niemandem unterstellt zu werden, der von seinem Beruf nichts verstünde.
Henriette Adelheid, Prinzessin von Savoyen (1636-1676),
Frau des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern.
Künstler unbekannt
Als erstes erhielt Enrico die Aufgabe, den Gebäudekomplex rund um die Gnadenkapelle in Altötting, seit 500 Jahren der bedeutendste Marienwallfahrtsort Deutschlands, neu zu gestalten. Als Bauleiter stand ihm Giovanni Antonio Viscardi (1645-1713) aus dem Nachbardorf San Vittore in Graubünden zur Seite, der später selbst ein angesehener Architekt in Bayern werden sollte. Auch sein Schwager Kaspar zog nach Fertigstellung des Klosters Andechs hierher und unterstützte ihn bei diesem Großprojekt, das sieben Jahre in Anspruch nahm.
Der achteckige Platz mit großen Rasenflächen ist gesäumt von geistlichen und weltlichen Repräsentationsgebäuden, darunter die Kirche St. Magdalena, der Kongregationssaal, die Stiftspropstei, das Chorherrenhaus, das Rathaus und das Hotel Post. Den Marienbrunnen hatte Santino Solari aus Carona als Stiftung seines Arbeitgebers, des Salzburger Erzbischofs Paris Lodron, in den Jahren 1635-1637 geschaffen.
Insbesondere der Besuch von Papst Benedikt XVI., der schon in seiner Jugend von seinem nahegelegenen Heimatort Marktl hierher gepilgert war, gab dem Wallfahrtsort einen neuen Aufschwung. Am 11. September 2006 legte er den Bischofsring, den er bis zu seiner Papstwahl getragen hatte, vor dem Gnadenbild nieder.
Kurz nach seiner Ernennung zum Hofarchitekten im Jahre 1673 trat Enrico Zuccalli auch die Nachfolge des Baumeisters Agostino Barelli an, der die Pläne für die Theatinerkirche und Schloß Nymphenburg geliefert hatte, aber 1674 nach Bologna zurückgekehrt war.
Enrico Zuccalli, Theatinerkirche in München, ab 1674
Die Theatinerkirche stand erst im Rohbau und ihr Äußeres war noch nicht festgelegt. Zuccalli fügte die 71 m hohe Kuppel und die beiden eigenwilligen Türme hinzu und übernahm die Leitung der Innendekoration. Dafür verpflichtete er die erfahrenen Bildhauer und Stuckateure Nicolò Perti aus Muggio im Tessin, Giovanni Viscardi aus San Vittore in Graubünden und Abraham Leuthner aus Pilsen in Böhmen, die nach 14-jähriger Arbeit 1688 ein Meisterwerk ablieferten.
Zuccalli erhielt nun den Auftrag, für den Theatinerorden auch eine Klosteranlage zu entwerfen. Die Ausführung der Bauten übertrug er Lorenzo Perti, dem Vater des erwähnten Stuckateurs Nicolò. Das Ergebnis war ein imposantes Viereck zwischen der Stadtmauer, der heutigen Theatiner- und Salvatorstraße und dem Salvatorplatz.
Daß Theatiner Closter in München,
,
wie solches von Niedergang
gegen Aufgang zu sehen ist
Kupferstich
von Michael Wening (1645-1718).
Aus: Beschreibung
des Churfürsten- u. Hertzogthumbs
Ober- und Nidern Bayrn.
Rentamt München. 2. Auflage um 1750
1677 wurde Enrico Zuccalli zum Oberbaumeister ernannt und genoß offenbar das Vertrauen der bayerischen Herrscher. Zur Hochzeit des Kurfürsten Maximilian II. (reg. 1680-1726) mit der österreichischen Kaisertochter Maria Antonia sollte er am Stadtrand von München ein Lust-und Jagdschloß errichten. So entstand in den Jahren 1684-1688 das Schloss Lustheim.
In den ehemaligen Festsälen ist heute ein Zweig des Bayerischen Nationalmuseums mit einer Sammlung Meißener Porzellans untergebracht.
1695 hatte der jüngere Bruder von Maximilian II., Joseph Clemens (der 1688 mit 17 Jahren Kölner Fürstbischof geworden war) die Idee, ein Residenzschloß in Bonn errichten zu lassen. Enrico Zuccalli entwarf eine monumentale Vierflügelanlage mit Ecktürmen, die 1697-1705 errichtet wurde.
Im zweiten Weltkrieg wurde die Anlage ausgebombt und bis 1951 wieder aufgebaut.
Inzwischen machte sich Kurfürst Maximilian II. von Bayern Hoffnungen auf die Kaiserkrone, und so bat er Zuccalli, gegenüber von Schloß Lustheim ein repräsentatives Schloß nach Versailler Vorbild zu entwerfen, das ihm und seinem Hofstaat als Residenz dienen sollte. Von 1701 bis 1704 mußte der Architekt die Baupläne ständig revidieren, und schlußendlich - da Max Emanuels Träume rasch verflogen - durfte er aus Kostengründen nur den Ostflügel errichten.
Erst 1717 nahm Zuccallis Nachfolger, der Architekt Joseph Effner, die Bauarbeiten erneut auf. Heute dient das Neue Schloß Schleißheim als Barockgalerie der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Die folgenden Jahre von 1704 - 1714 bedeuteten für Enrico Zuccalli einen schmerzlichen Einschnitt. Infolge des Spanischen Erbfolgekriegs und der verlorenen zweiten Schlacht von Höchstädt (1704) mußte Kurfürst Maximilian II. ins Exil gehen und Bayern fiel unter die Verwaltung der österreichischen Habsburger, die den Architekten all seiner Ämter enthoben. Er zog sich, nun bereits 64 Jahre alt, ins Kloster Ettal zurück. Daß er dort nicht untätig blieb, beweist sein Entwurf für eine neue Fassade mit Kuppel im barocken Stil, die allerdings erst nach einem Brand, der 1744 große Teile des Klosters vernichtete, tatsächlich gebaut wurde.
1715 kehrte Kurfürst Maximilian II. aus dem Exil in Frankreich zurück. Dort hatte er seine Vorliebe für den neuen Stil des leichten, beschwingten Rokoko entdeckt und bevorzugte ihn von nun an den barocken Bauten Zuccallis. Dieser behielt zwar seine Stellung und kam wieder nach München, führte aber nur noch wenige Aufträge für Privatleute aus und wirkte vor allem als Berater für die neue Generation von Baumeistern wie den bereits erwähnten Joseph Effner, der nun daran ging, die endgültige Version von Schloss Nymphenburg zu bauen, für das Zuccalli bereits früher mehrere Entwürfe angefertigt hatte.
Dem Buch von Norbert Hierl-Deronco ist zu entnehmen, daß Enrico und seine Frau Maria Magdalena Caduff, die aus Marmorera in Graubünden stammte, sechs Kinder hatten. Taufpate für den ersten Sohn war der oben erwähnte Joseph Clemens von Bayern und für die beiden nachfolgenden Töchter die Gräfin Anna Maria Fugger, die aus Turin stammte und für die Enrico 1693 das Palais Porcia in München errichtet hatte.
Palais Porcia, München, 1693 im italienischen Barockstil von Enrico Zuccalli errichtet.
Die Fassade wurde 1736 vom Architekten François de Cuvilliés umgestaltet und nach den Bombenschäden von 1944 wiederhergestellt.
Literatur
- Heym S., Henrico Zuccalli: der kurbayerische Hofbaumeister. Schnell und Steiner. München/Zürich 1984
- Hierl-Deronco, N., Es ist eine Lust zu bauen. Von Bauherren, Bauleuten und vom Bauen im Barock in Kurbayern - Franken - Rheinland, Ed. Hierl-Deronco,
82152 Krailling (D) 2001, ISBN 3-929884-08-9
Das obige Porträt Enrico Zuccallis und seine Unterschrift wurden mit freundlicher Genehmigung des Verlags diesem Buch entnommen. - Krems E.B., Più idioti nell'edificare: Agostino Barelli a Monaco di Baviera, in Crocevia e capitale della migrazione artistica: forestieri a Bologna e bolognesi nel mondo (secolo XVII), Tagung im Palazzo Saraceni, 30. Nov.- 2. Dez. 2010, Bologna 2012, S.171-187
- Kühlenthal M. (Hrsg.),Graubündner Baumeister und Stukkateure, Ed. Dadò, Locarno 1987
- Nicoletti M.F., Sacro e profano: l'opera di Agostino Barelli nella Bologna del Seicento,in Crocevia e capitale della migrazione artistica: forestieri a Bologna e bolognesi nel mondo (secolo XVII), Tagung im Palazzo Saraceni 30. Nov.- 2.Dez. 2010, Bologna 2012, S. 157-170
- Niedersteiner C., Nadler S., Die Familie Zuccalli in Altötting, Oettinger Heimatblätter Nr. 6, 2011
- Satzinger G.(Hrsg.), Das kurfürstliche Schloss in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Deutscher Kunstverlag München/Berlin 2007
Links
- Enrico Zuccalli
- Theatinerkirche (München)
- Henriette Adelheid von Savoyen
- Schloss Lustheim
- Kurfürstliches Schloss Bonn
- Joseph Clemens von Bayern
- Kloster Ettal
- François de Cuvilliés der Aeltere
- Schloss Nymphenburg
- Palais Porcia (München)
- Marmorera (CH)
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