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Domenico Trezzini
Architekt, Ingenieur, Stadtplaner |
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geb. ca.1670 |
Astano (Vater: Gioacchino; Mutter: Felicita Tomasina Antonietti) °° I. 1698 Giovanna de Vetiis °° II. 1708/09 XY °° III. ca. 1712 Maria Carlotta |
gest. 19. Februar 1734 | St. Petersburg |
Peter der Große,
Gemälde von Paul Delaroche,
1838
Es ist noch nicht lange her, seit in St. Petersburg der 300. Jahrestag der Stadtgründung gefeiert wurde. 1703 begann Zar Peter der Große mit der
Verwirklichung seines Traums: einen Hafen an der Ostsee zu bauen und dem von den Handelswegen abgeschnittenen Rußland ein Fenster nach Europa
zu öffnen
. Es war Domenico Trezzini, der als Festungsingenieur und Architekt diesen phantastischen Plänen konkrete Gestalt verlieh. Dreißig
Jahre lang entwarf und leitete er die ersten großen Bauten, die noch heute der Stadt ihr charakteristisches Gesicht verleihen, und schuf somit das
Fundament für ihren atemberaubenden Aufstieg zu einer der glanzvollsten Metropolen Europas.
Leider ist uns kein Bildnis von Domenico Trezzini überliefert. Darum sehen Sie oben ein Porträt seines Arbeitgebers und offenbar auch Freundes, denn Peter der Große war 1710 Taufpate für seinen ersten Sohn, Pietro.
Domenico Trezzini kam aus einer alteingesessenen Familie in Astano, einem schön gelegenen Dorf am Ausläufer des Monte Lema südwestlich von
Lugano. Gemäß russischen Quellen ging Domenico nach Italien, um Architektur und Ingenieurwesen zu studieren. Wo genau ist nicht überliefert,
aber wegen der Ähnlichkeit der Festungstore in St. Petersburg (von Trezzini) mit denen in Verona, Venedig und in einigen Städten an der dalmatinischen Küste
vermuten die russischen Kunsthistoriker, daß er die Bauten des Architekten Michele Sanmicheli (1484-1552) sehr genau kannte. Dessen Markenzeichen
war es,
daß er strenge Monumentalität mit einem Sinn für Schönheit verband. Ein Vergleich zwischen Sanmichelis Zeno-Tor in Verona und Trezzinis Peterstor in St. Petersburg
scheint diese Annahme zu bestätigen.
Anstelle der beiden Seitentüren fügte Trezzini zwei Statuen der Athene als Beschützerin der Stadt ein. Die gerundeten Formen des oberen Teils entsprechen dem inzwischen vorherrschenden barocken Stil.
Nach der Ausbildungszeit in Italien, also gegen 1693, dürfte Trezzini seinen Landsmann Domenico Pelli (1652-1729) aus Aranno, unweit von Astano, kennengelernt haben. Dieser war seit 1682 in Straßburg tätig, wo er unter dem berühmten Architekten Sébastien de Vauban Festungen baute. Von dort holte ihn der dänische König Christian V. und beauftragte ihn mit der Planung militärischer Anlagen, darunter der Festung Bad Oldesloe im heutigen Schleswig-Holstein und des Schlosses Kronborg auf der Insel Sjaelland in Dänemark. Nach seiner Ernennung zum königlichen Festungsbaumeister im Mai 1697 war Pelli ab 1701 in Kopenhagen tätig, wo unter seinen zahlreichen Mitarbeitern auch Domenico Trezzini erwähnt ist. Und hier war es auch, wo der russische Botschafter im Auftrag von Zar Peter dem Großen versuchte, Architekten anzuwerben, um am Golf von Finnland eine neue Stadt zu bauen.
Von Kopenhagen nach St. Petersburg
Über die Hauptstadt Moskau gelangte Trezzini im März 1704 zusammen mit einigen Tessiner Landsleuten nach Sankt Petersburg, wo bereits im Jahr
zuvor mit der Trockenlegung der Sümpfe und der Befestigung der Ufer der Newa begonnen worden war. In Dokumenten werden genannt:
Galeazzo Quadri aus Agno
Carlo Ferrari(o) aus Cadempino
Domenico Ruta (Rusca?) aus Agno
Francesco und Giovanni Maria Fontana, ev. aus Cureglia
Bernardo Scala, ev. aus Carona
Pietro Denni (ev. = Donati aus Astano?)
Erste Aufgaben in Sankt Petersburg: Festungen bauen
Als erstes galt es, die künftigen Hafenanlagen zu befestigen: Kronstadt, Schlüsselburg, das Newa-Ufer, die Wassiljewski-Insel, die Peter-und-Paul-Festung.
Die am Ausgang der Bucht gelegene Ostseeinsel Kotlin gehörte damals zu Schweden, was aber Peter den Großen nicht weiter kümmerte. Er nahm sie im Jahre 1703 in Besitz und beauftragte Trezzini, dort eine Festung anzulegen. Doch wie das Baumaterial dorthin bringen? Im Winter, als die Kronstädter Bucht völlig zugefroren war, ließ man Tausende mit Steinen beladene Schlitten von Pferden über das Eis ziehen. Dann schlugen die Arbeiter Löcher in die Eisdecke und versenkten die ganzen Fuhren, sodaß 42 kleine Inseln entstanden. Auf diesen Fundamenten errichteten sie Bastionen und riegelten so die Seezufahrt nach St. Petersburg ab. Nur zwei schmale schiffbare Kanäle blieben frei, die von den mächtigsten Bollwerken bewacht wurden.
Lange galt Kronstadt als der am stärksten befestigte Hafen der Welt. Er spielte noch im zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle, als er mehrmals von den Deutschen bombardiert wurde. 1990 nahm die UNESCO die Altstadt und die noch erhaltenen Anlagen in die Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit auf.
Festung Kronstadt,
Ostflügel
Als nächstes erhielt Domenico den Auftrag, an der Newa eine Festung zu bauen. Die Aufnahme zeigt das Ausmaß des Geländes und die zahlreichen Gebäude, die sich um die Kathedrale gruppieren.
Allerdings erfüllte die Festung nie ihren ursprünglichen Zweck als Schutz vor einem schwedischen Angriff, sondern diente seit 1720 als Kaserne und als Gefängnis für politische Gefangene, unter denen auch Schriftsteller wie Fjodor Dostojewski und Maxim Gorki waren.
Die Kathedrale selbst entstand in den Jahren 1712-1733. Es war die erste mit Ziegelsteinen erbaute Kirche der Stadt, und gleichzeitig die erste in barockem Stil. Ihr 123 Meter hoher Glockenturm mit dem goldenen Engel an der Spitze bildet noch heute das weithin sichtbare Wahrzeichen von St. Petersburg.
Peter-und-Paul-Kathedrale,
St. Petersburg,
Sarkophage verschiedener Zaren,
rechts hinten
derjenige Peters des Großen
Den Hauptanziehungspunkt bilden heute die Sarkophage aller Zaren seit Peter I. dem Großen, einschließlich des letzten, Nikolaus II, der zusammen mit seiner Familie 1998 hier beigesetzt wurde.
Zivile Bauten
Nach dem endgültigen Sieg über den schwedischen König Karl XII. in der Schlacht bei Poltava, in der heutigen Ukraine, im Jahre 1709 konnte Peter der Große nun daran gehen, sich den Traum einer Stadt am Meer zu erfüllen. Von nun an sollten keine Gebäude aus Holz mehr errichtet werden, sondern aus Steinen und Ziegeln, die aus dem ganzen Land herbeigeschafft werden mußten.
Als leitender Architekt stand Trezzini inzwischen einem Bauamt vor, das über 2000 Mitarbeiter beschäftigte. Als nächstes erhielt er die Aufgabe, Räumlichkeiten für die Staatsverwaltung zu schaffen,
die von Moskau in die neue Hauptstadt verlegt werden sollte. Es entstanden die Zwölf Kollegien
(Ministerien).
Die Zwölf Kollegien
von Domenico Trezzini
in einem Stich von 1751
Domenico brachte einen neuen Stil mit, der sich an der eher nüchternen, keineswegs pompösen Architektur in Dänemark, Schweden und Holland orientierte. Offenbar gefiel er dem Zaren, denn er zog ihn dem bisher in Moskau vorherrschenden Stil vor. Später erhielt er den Namen Petrinischer Barock
.
Mit 440 Meter Länge sind die Zwölf Kollegien
das größte noch bestehende Gebäude aus dieser Zeit. Die anfänglich 12 separaten Häuser, in denen die Reichsverwaltung untergebracht war - zehn Ministerien,
der Senat und die Kirchensynode - wurden später miteinander verbunden und dienen heute als Universität.
Peter der Große bestand auch darauf, daß Trezzini begabte junge Russen als Schüler nahm und sie gut ausbildete. Zu diesem Zweck sorgte Trezzini dafür, daß grundlegende Werke wie Regola delli cinque ordini d'architettura von Giacomo da Vignola (1507-1573) ins Russische übersetzt wurden. In seinem Haus auf der Wassiljewski-Insel wohnten nicht nur die Familienangehörigen, sondern auch mehrere Schüler, die ihn auf die Baustellen begleiteten. Einer von ihnen war Mikhail Zemtsov (1688-1743), der später als erster professionell ausgebildeter russischer Architekt
in die Geschichte einging.
Sommerpalast Peters des Großen
Schräg gegenüber der Peter-und-Paul-Festung, an der Mündung des Fontanka-Kanals in die Newa, errichtete Trezzini 1710-1714 das erste Privathaus aus Ziegeln in St. Petersburg. Bis dahin hatte der Zar in einem Holzhaus am anderen Ufer der Newa gewohnt. Ihm gefiel dieses eher bescheiden wirkende Haus mit 14 Zimmern, und er verbrachte dort bis zu seinem Tod im Jahre 1725 jeweils die Sommermonate. Die noch original erhaltenen Wohnräume Peters im Erdgeschoß und seiner Frau Katharina im ersten Stock sind heute als Museum zugänglich.
Alexander-Newski-Kloster
Im Volk regte sich allmählich Widerstand gegen das Unterfangen, eine neue Hauptstadt im Norden zu bauen. Nicht nur weil das sumpfige Gelände und das feuchte Klima Tausende von Menschenleben forderte, sondern auch weil die Bautätigkeit in Moskau und anderen Städten unter der Forderung litt, alles verfügbare Baumaterial nach St. Petersburg zu bringen. Um diesem Mißmut entgegenzutreten und ein Zeichen der Kontinuität russischer Geschichte zu setzen, beauftragte Peter d.Gr. Domenico Trezzini, ein Kloster zu errichten. Es sollte an den Großfürsten Alexander Newski (ca.1220-1263) erinnern, der die Fürstentümer Nowgorod und Wladimir gegen den eindringenden Deutschen Orden, die Skandinavier und die Mongolen verteidigte und später zum Nationalheiligen erklärt wurde.
Alexander Newski Kloster
in St. Petersburg,
erbaut ab 1710
von Domenico Trezzini.
Kolorierter Stich
von I.A. Iwanow, 1815
Im Klosterareal befinden sich zwei Barockkirchen: die erste erbaute Domenico Trezzini 1717-22, während die zweite von seinem Verwandten Pietro Antonio Trezzini 1742-50 errichtet wurde. Im dazu gehörigen Friedhof sind berühmte Dichter, Komponisten und Wissenschaftler begraben, darunter Fjodor Dostojewsky, Peter Tschaikowsky, der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler und der Architekt Carlo Rossi.
Familienleben
Domenico Trezzini war dreimal verheiratet, sodaß die Geburtsjahre seiner Kinder weit auseinander liegen. Zwei Töchter stammen aus der ersten Ehe mit Giovanna de Vetiis aus Astano. Offenbar reiste Domenico 1704 ohne seine Familie nach Rußland, denn Giovanna war 1706 als in Hamburg ansässig gemeldet.
Ein zweites Mal heiratete Domenico in St. Petersburg und hatte 1710 einen Sohn, Pietro, der jedoch 1734 verstarb. Der Name und das eventuelle Sterbedatum seiner Frau sind nicht bekannt.
Seine dritte Frau, Maria Carlotta, gebar ihm die Tochter Catarina und vier Söhne: Giuseppe, Gioacchino, Giorgio und Matteo. Keiner von ihnen trat in die Fußstapfen des Vaters. Hingegen folgten zwei entfernte Verwandte aus Astano Domenicos Ruf und blieben als Architekten in St. Petersburg: Pietro Antonio Trezzini (1692-n.1760) und der Mann seiner Tochter Tomasina, Carlo Giuseppe Trezzini (1697-1768).
Als Domenico 1734 starb, zählte Sankt Petersburg bereits an die 40.000 Einwohner. Es gab rund 10.000 meist noch aus Holz gebaute Häuser. Aber die Grundlagen waren gelegt für eine rasche Entwicklung zum politischen
und kulturellen Zentrum des Reiches. Die nachfolgenden Zaren riefen bedeutende Architekten und Künstler ins Land, darunter viele aus Italien und dem heutigen Tessin, deren elegante Bauten das heutige Stadtbild
dominieren. So ist es kein Wunder, daß St. Petersburg den Beinamen Venedig des Nordens
erhielt.
Das Haus, das er sich auf der Wassiliewski-Insel gebaut hatte, existiert noch, in verändertem Zustand, an der Ecke Universitätsufer / 5. Linie. Nicht erhalten ist hingegen sein Grab neben der St. Simeon-Kirche, wo sich heute ein kleiner Stadtpark befindet. Jedoch wurde kürzlich bekannt, daß die Behörden planen, ihm im Laufe des Jahres 2012 ein zehn Meter hohes Denkmal zu setzen.
Film
Domenico Trezzini, Film von Jiri Havrda,
ART-Film, Zürich 1994
Als CD-ROM erhältlich bei
www.museodelmalcantone.ch/cms/
Literatur
- Kahn-Rossi M., Franciolli M. (Hrsg), Domenico Trezzini e la costruzione di San Pietroburgo, Ausstellungskatalog Lugano, Ed. Cantini, Firenze 1994
- Lisajevitsch I.I., Domenico Trezzini, Ed. Lenisdat, Leningrad 1986 (in russisch)
- Malinovski, K.V., Domenico Trezzini, Ed. Kriga, Moskau 2007 (in russisch)
- Ovsjannikov J., Velikie sodtschie Sankt Peterburga, (Große Baumeister St. Petersburgs: Trezzini - Rastrelli - Rossi), Verlag Iskusstvo, St. Petersburg 2000 (in russisch)
- Quadri G.A., Domenico Trezzini e la città ideale, Ed. Marwan, Mesenzana (VA), Italien 2007
Links
- Domenico Trezzini
- Foreigners in Russia, Domenico Trezzini
- St. Petersburg
- Peter-und-Paul-Kathedrale, St. Petersburg
- Michele Sanmicheli
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Nachtrag
Inzwischen wurde Domenicos Wohnhaus auf der Wassiljewski-Insel restauriert und in ein Luxushotel umgewandelt. Es steht jetzt am Trezzini Platz
, und das angekündigte Denkmal wurde 2014 feierlich eingeweiht.
In der Mitteilung der Presseagentur RIA Novosti vom 19. Februar 2014 hiess es:
Denkmal für Domenico Trezzini im Zentrum von St. Petersburg eingeweiht
Das Denkmal für einen der ersten Architekten der Kulturhauptstadt, Domenico Trezzini, wurde auf der Wassiljewski-Insel an der Ausfahrt von der Blagoweschtschenski-Brücke feierlich eingeweiht.
Der große Architekt trägt einen weiten Pelzmantel, in der rechten Hand hält er eine Rolle mit Zeichnungen, in der linken einen Zirkel. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Mit leicht erhobenem Kopf blickt Trezzini auf die in Granit gefassten Ufer der Newa. Die 5,5 Meter hohe Skulptur wurde vom Bildhauer Paul Ignatjew und dem Architekten Paul Bogrjanzew geschaffen.
Die Arbeit an der Statue und ihrer Aufstellung auf dem Podest dauerte fast 18 Jahre, und wir sind sehr froh, dass es schlussendlich gelungen ist. Wir hoffen, das die Petersburger das Denkmal gebührend zu schätzen wissen
,
sagte Bogrjanzew.
Vor der Einweihung traten unter den Klängen eines Blasorchesters Schauspieler als Domenico Trezzini und Zar Peter I. auf. Der in einen Pelz gehüllte Trezzini versprach, die hölzernen Bauten der neuen Hauptstadt in
Stein zu hüllen
, und Peter der Große lud ihn feierlich ein, in seine Dienste zu treten.
Zusammen mit den Ehrengästen durfte die 17-jährige Schülerin Xenia Alexandrowa das Tuch abnehmen. Sie hatte einen Wettbewerb zum Thema Der wieder entdeckte Trezzini
gewonnen. Nach der Einweihung legten die
Petersburger zu Füßen der Bronzestatue des großen Architekten Blumen nieder.
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