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Cosimo Morelli
Architekt |
|
geb. 6.10.1732 |
Imola, Region Emilia Romagna, Italien (Vater: Domenico aus Torricella; Mutter: Maria Vittoria Costa) |
gest. 26.02.1812 | Imola |
Cosimo Morelli war ein vielseitiger und sehr erfolgreicher Architekt in Oberitalien, genauer gesagt im Kirchenstaat, der damals von Rom bis an die Grenze zur Lombardei und Venetien reichte.
Kirchenstaat 1849
Dank seiner effizienten Arbeitsorganisation und seiner gewinnenden Persönlichkeit gelang es Cosimo, sich einen guten Ruf zu erwerben und prestigeträchtige Aufträge an Land zu ziehen. Insgesamt entwarf er über 40 Kirchen, 14 Theater, zahlreiche Paläste, Spitäler, Brücken und Plätze.
Ausbildung in der Künstlerkolonie aus Torricella
Bereits ab etwa 1600 waren Bauleute und Künstler aus dem kleinen Dorf Torricella nördlich von Lugano nach Imola ausgewandert. Die Stadt zählte damals rund 8.000 Einwohner und lag am Schnittpunkt zweier Handelsstraßen im Kirchenstaat, dem sie von 1504 bis 1861 angehörte. Von Leonardo Da Vinci ist diese Zeichnung erhalten:
Leonardo da Vinci,
Stadtplan von Imola, 1502
Royal Library,
Windsor Castle,
England
Die Familien Petrocchi, Magistretti, Porrini und Trefogli hatten sich in Imola angesiedelt. Unter ihnen ragte Domenico Trefogli (1675-1759) heraus, der zum Stadtarchitekten ernannt worden war. Im Jahre 1715 holte er seinen Neffen Domenico Morelli nach Imola, den Vater unseres Cosimo. So ist es kein Wunder, daß der Junge in guten Händen war. Noch dazu hatte er zur Abrundung der Ausbildung die Möglichkeit, beim Architekten Gerolamo Theodoli etwas über den Bau von Theatern zu lernen, was ihm später zugute kommen sollte. Dieser hatte das Teatro Argentina entworfen, eines der ältesten Theater Roms, das 1732 eingeweiht wurde und noch heute in Betrieb ist.
Teatro Argentina
in Rom,
erbaut
von Gerolamo Theodoli,
1732
Hier wurde übrigens 1816 Rossinis Der Barbier von Sevilla uraufgeführt.
Der Bischof Gian Carlo Bandi beauftragte Morelli 1763 mit dem völligen Umbau des bereits 500 Jahre alten Doms, der einzustürzen drohte.
Die Arbeiten zogen sich bis 1781 hin, doch offenbar überzeugten seine Kenntnisse der Statik und die vorgeschlagenen Änderungen, so dass man ihm auch den Umbau der Kathedralen in anderen Städten anvertraute: in Macerata, Fermo und Fossombrone in der Provinz Marken sowie in Ravenna in der Provinz Emilia Romagna.
Dabei entwickelte Cosimo eine Art Markenzeichen, nämlich die kassettenartigen Gewölbebögen und Kuppeln, wie zum Beispiel hier in Fermo:
Oft sind die Kuppeln bemalt oder, wie im Dom von Imola, in Stuck ausgeführt.
Cosimo Morelli, Kuppel im Dom von Imola, um 1780
Mit freundlicher Genehmigung der Stadtbibliothek Imola.
Dabei konnte sich Morelli auf zwei Künstler verlassen, mit denen er häufig zusammenarbeitete, Antonio Villa und Alessandro Della Nave. Eines ihrer gemeinsamen Meisterwerke ist die Bibliothek im Franziskanerkloster von Imola, ein Rundbau auf zwei Stockwerken:
Nach dem Amtsantritt von Papst Pius VI. (1775-1799), der aus Cesena unweit von Imola stammte und den Morelli bei einem Romaufenthalt kennengelernt hatte, wurde Cosimo 1777 zum Oberarchitekten für mehrere Provinzen des Kirchenstaates ernannt. Allerdings kamen die Pläne des Papstes zum repräsentativen Ausbau seiner Heimatstadt Cesena mit einer
neuen Kathedrale, einer Bibliothek und einem Theater, die Morelli hätte entwerfen sollen, nicht zur Ausführung. Pius VI. wurde übrigens von Napoleon abgesetzt und starb in der Verbannung in Frankreich. 1791 hatte er sich zu den Errungenschaften der Revolution nicht gerade diplomatisch geäußert: Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren.
Zivile Bauten: Paläste und Theater
Die bevorzugte gesellschaftliche Stellung, die Cosimo dank seiner guten Beziehungen zur römischen Kurie genoss - und die sogar im geflügelten Wort Wer nach Rom will, muss Morellis Türklinke drücken zum Ausdruck kam - verschaffte ihm aber auch Aufträge seitens adeliger Familien und städtischer Behörden.
So entwarf er für die Familie Anguissola einen Palast in Piacenza und in Rom einen für die Familie Braschi - das heutige Stadtmuseum bei der Piazza Navona.
Den Mittelpunkt bildet die vielbewunderte Ehrentreppe.
Am meisten Bewunderung aber fanden seine 14 Theaterbauten, die nicht nur die neuesten bautechnischen Möglichkeiten widerspiegelten, sondern dank ihrer ovalen Form auch eine ausgezeichnete Akustik aufwiesen. Einige von ihnen sind noch in Betrieb, zum Beispiel das Teatro dell'Aquila in Fermo.
Cosimo Morelli,
Teatro dell'Aquila,
Fermo in der Provinz Marken,
1780-1790
Das Theater bietet Platz für 1.000 Zuschauer, hat 5 Ränge mit 124 Logen und eine enorme Bühne von 350 qm. Nach jahrelanger aufwendiger Restaurierung wurde es 1997 wieder im alten Glanz eröffnet.
Das Dorf Sasso Morelli und Gedenkfeiern zum 200. Todestag 2012
Cosimo, der nicht verheiratet war, wohnte mitten im Zentrum von Imola im Palazzo Vaini aus dem 15. Jahrhundert. Wann immer Fürsten oder Herzöge oder Kardinäle usw. nach Imola kamen, waren sie in der Casa Morelli zu Gast, heißt es im Manuskript seines Freundes Meloni. Doch dann verfiel er auf die Idee, ein ganzes Dorf in der Nähe von Imola zu bauen, mit einem
Palast für sich und symmetrisch gegenüber Loggien mit Läden für Handwerker und Kaufleute.
Cosimo Morelli, Teil seines Anwesens in Sasso Morelli, Imola, erbaut 1780-1785
In einem Brief an Papst Pius VI schrieb Morelli 1783: Dort gibt es Platz für eine öffentliche Osteria, eine Metzgerei, Läden für Salz und Lebensmittel, eine Eisenhandlung, einen öffentlichen Backofen, eine Schmiede, eine Tischlerei, eine Schneiderei, einen Schuhmacher (zit. in Matteucci-Lenzi, 1977). Der Papst gab ihm auch die Erlaubnis, einen Wochenmarkt
abzuhalten und jährlich eine überregionale Messe zu organisieren, die meist 8 Tage dauerte und von Zöllen und Steuern befreit war. Zu seinen Ehren heißt das 8 km nördlich von Imola gelegene Dorf mit 900 Einwohnern heute noch Sasso Morelli
.
Die letzten Lebensjahre waren für Cosimo nicht leicht. Seine Beine waren gelähmt, sodass er die laufenden Projekte nicht verfolgen konnte. Dazu kamen die wirtschaftlichen Folgen der Besatzung durch die französischen Truppen, die von 1796 bis 1815 dauerte. Die Kirchen und Klöster wurden konfisziert, ebenso die dazu gehörigen Bauernhöfe und Ländereien. Cosimo wurde an den Rand des Ruins getrieben und bat 1810 in einem Brief an den berühmten Bildhauer Antonio Canova inständig darum, ihm etwas Geld zu schicken.
Seine letzte Ruhestätte fand Cosimo Morelli im Familiengrab in der ältesten Kirche von Imola, Santa Maria in Regola, die er selbst neu erbaut hatte. Mit ihrer charakteristischen Kuppel ist sie gleich als sein Werk zu erkennen.
Anlässlich seines 200. Todestages stellte die Stadtbibliothek von Imola (BIM) eine Liste der wichtigsten Bauten Morellis ins Internet. Für den Herbst 2012 ist ein Vortragszyklus geplant. Außerdem soll seine Publikation von 1780, Grundriss und und Aufriss des neuen Theaters in Imola, mit einem Vorwort von Deanna Lenzi neu aufgelegt werden.
Literatur
- Ein umfangreiches Literaturverzeichnis finden Sie unter:
Cosimo Morelli (Treccani) - Ferner:
Meloni P.A.: Memorie dei pittori, scultori ed architetti della città e diocesi di Imola (Manuskript von 1834), Imola 1992 - Robbiani D.: Artisti di Torricella, Tipografia
La Buona Stampa
, Lugano 1977 - Demnächst erscheint:
Nicoletti M.F.: Tra mastri ed architetti: famiglie ticinesi nella Legazione di Romagna. In: Interazioni e trasferti culturali tra XVIII e XIX secolo. La formazione degli architetti ticinesi nell'Italia degli stati pre-unitari: dalle Accademie alle pratiche di cantiere (Internationale Studientagung des Schweizerischen Instituts und der Akademie San Luca, Rom 25.-27. November 2010)
Links
- it.Wikipedia, Cosimo Morelli
- it.Wikipedia, Dom von Macerata
- it.Wikipedia, Dom von Fermo
- Papst Pius VI.
- it.Wikipedia, Palazzo Braschi (Museo di Roma)
- it.Wikipedia, Teatro dell'Aquila, Fermo
- it.Wikipedia, Kirche Santa Maria in Regola, Imola
- BIM, Cosimo Morelli
© M. F. Nicoletti und U. Stevens 2012 / 2015