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Domenico dell'Allio

Dell'Allio Domenico
Festungsbaumeister, Architekt
geb. ca. 1500


Scaria, Val d'Intelvi (I)
(Vater: Martino;
Brüder: Giovanni Maria; Andrea)
gest. 29.11. 1563 auf einer Dienstreise in Italien

Portrait des Architekten Domenico dell'Allio, Fresko an seinem Geburtshaus,
heute im Museo Diocesano, Scaria, Val d'Intelvi (I)

Domenico dell'Allio war einer der wichtigsten Repräsentanten der italienischen Festungsarchitektur der Renaissance nördlich der Alpen. Er errichtete im 16. Jahrhundert Festungsbauten in den österreichischen Städten Wien, Klagenfurt und Graz sowie im Grenzland des Habsburgerreichs, dem heutigen Slowenien und Kroatien, und in Triest. Außerdem baute er das Landhaus in Graz, den bedeutendsten zivilen Renaissancebau in Österreich, der viele Nachahmer fand.

Als Festungsbauspezialist machte Domenico dell'Allio eine glänzende Karriere. Denn sein Auftraggeber war der Habsburger Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich (1503-1564), König von Ungarn, Böhmen und Kroatien und ab 1558 als Ferdinand I. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Domenico wurde:
1544 Oberbaumeister für Innerösterreich: Steiermark, Kärnten, das Herzogtum Krain - heute in Slowenien - und die sog. Küstenlande am Mittelmeer. Ferner lebenslanger Superintendent für die slowenisch-kroatische Grenze
1545 Generaldirektor der Festungsanlagen in Graz
1553 Königlicher Baumeister
1555 Oberbaumeister der kroatischen und slowenischen Orte
1558 Kaiserlicher Baumeister für Innerösterreich

Am 22.06.1558 verlieh Kaiser Ferdinand I. Domenico und seinen Nachkommen das Adelspatent Architector et Artifex Insignis, Edler des Königreiches Böhmen. Als Wappenzeichen wählte Domenico den Knoblauch (ital. Aglio).

Siegel von Domenico dell'Allio

Siegel von Domenico dell'Allio
Aus: Wastl J., Das Landhaus in Graz, 1890

Herkunft und Ausbildung

Domenico stammte aus einer weit verzweigten Künstlerfamilie von Architekten, Bildhauern, Stuckateuren und Malern aus dem Gebiet zwischen dem Luganer- und Comersee. Sein Vater Martino war um 1520 als Maurermeister in Radkersburg im Südosten der Steiermark (A) tätig, wo Domenico 1546 die marode Festung erneuern sollte. Domenicos Brüder Giovanni Maria und Andrea waren ebenfalls Baumeister und arbeiteten vorwiegend in Marburg an der Drau (heute Maribor, Slowenien).

Seine Ausbildung erhielt Domenico in Oberitalien, das als Wiege der neuzeitlichen italienischen Festungsarchitektur gilt.

Das italienische Festungsbausystem der Renaissance
Mit der Entwicklung neuer Kampftechniken und neuer Feuerwaffen, nämlich Kanonen mit massiven Eisenkugeln von großer Durchschlagskraft, war es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts möglich geworden, mittelalterliche Festungsmauern zu zerstören. Daher mussten nun die Wehrmauern nicht nur dicker gebaut, sondern der gesamte Wehrbau auf die Verwendung von tonnenschweren Kanonen ausgerichtet werden. Das Hauptmerkmal des Systems waren aus den Festungsmauern vorspringende pfeilförmige Bastionen, die den Verteidigern freie Sicht auf die Angreifer boten und einen toten Feuerwinkel ausschlossen.

Idealbild der Neuitalienischen Manier

Idealbild der Neuitalienischen Manier
Grafik aus Meyers Konversationslexikon, 1888

Dieses sogenannte italienische Bastionärsystem wurde über 350 Jahre erfolgreich in ganz Europa eingesetzt. Man kann es quasi als internationalen Stil der Militärarchitektur bezeichnen. Als Pionier gilt Francesco di Giorgio Martini aus Siena (1439-1501), der Ende des 15. Jahrhunderts zwei Traktate über die Zivil- und Militär-Architektur veröffentlichte. Er beschrieb darin die Prinzipien der fortificazione alla moderna, die er zusammen mit Antonio und Giuliano da Sangallo ausgearbeitet hatte. Ein weiterer berühmter Spezialist war der Veroneser Architekt Michele Sanmicheli (1484-1559), der in Verona, Rom, Venedig und auf der Insel Kreta Stadtbefestigungen und Stadttore baute.

Es entstand ein eigener Stand von Festungsexperten, die überall in Europa gefragt waren. Ganze Familien widmeten sich dem Festungsbau, darunter einige aus der Gegend des Luganersees: Taddei und Verda aus Gandria, della Porta aus Porlezza, de Pomis aus Brusino Arsizio; und aus dem Val d'intelvi: dell'Allio aus Scaria und Ferrabosco aus Laino. Zwischen 1550 und 1700 waren in Innerösterreich an die 110 aus Norditalien und dem Tessin stammende Baumeister tätig. Die Mitarbeiter dell'Allios wurden servitori del Magistro Domenico genannt.

Das Baugeschäft war fest in der Hand der Welschen, wie die Kritiker dieser Situation die Italiener und Tessiner nannten, was jedoch vielen einheimischen Handwerkern und Tagelöhnern Arbeit verschaffte. Unter Letzteren herrschte allerdings oft materielle Not, da sie sich die überhöhten Lebensmittelpreise an den Bauplätzen nicht leisten konnten.

Befestigungsbauten in Innerösterreich
Zu Domenicos Zeit umfasste Innerösterreich die heutigen österreichischen Bundesländer Steiermark und Kärnten, sowie Teile von Slowenien, Kroatien und Friaul. Diese Länder grenzten an das Einfallsgebiet der Osmanen, die große Teile Ungarns besetzt hielten, aber auch von habsburgfeindlichen Adeligen und Marodeuren. Auf folgender Skizze sehen Sie die Orte, wo Domenico gearbeitet hat.

Arbeitsorte di Domenico Dell'Allio

Arbeitsorte von
Domenico dell'Allio

Die Belagerung von Wien durch die Osmanen 1529 und deren Raubzüge nach Innerösterreich hatten gezeigt, dass das mittelalterliche Verteidigungssystem einer dringenden Modernisierung bedurfte. Erst Mitte der 1540er Jahre bewilligte Erzherzog Ferdinand ein generelles neues Befestigungskonzept. Dieses verlangte nicht nur fähige Baumeister, sondern vor allem enorme Geldmittel. Die Kassen des Kaisers und der Landesregenten waren jedoch meist leer, und so ergab sich 1518 die historische Ausnahmesituation, dass der damalige Kaiser die Stadt Klagenfurt an die Landstände – sprich die lokale Vertretung der klerikalen und weltlichen Grundbesitzer – verschenkte, weil er den Wiederaufbau Klagenfurts nach einem vernichtenden Brand nicht finanzieren konnte.

Befestigung der Stadt Klagenfurt
Die neuen Stadtherren ließen Klagenfurt in den 1530er Jahren wieder aufbauen und von Domenico als ideale Renaissance-Stadt in quadratischer Rasterform anlegen – übrigens die einzige in Österreich - und nach italienischer Manier befestigen.

Stadtplan von Klagenfurt um 1735

Stadtplan von Klagenfurt um 1735

Die Befestigungsarbeiten wurden 1534 von Domenico begonnen und erst 1591 abgeschlossen. Teile der Stadtmauer haben sich erhalten, ebenso die Bezeichnungen der Bastionen in den Straßennamen. Das südliche Stadttor, erbaut um 1570 von Domenicos Mitarbeiter Giovanni Antonio Verda aus Gandria (CH) in Rustica-Manier (d.h. mit grob oder facettenartig behauenen Steinen), wurde 1809 von napoleonischen Truppen geschleift. Das Völkermarkter Tor wurde erst 1867 abgerissen.

Völkermarkter Tor in Klagenfur

Völkermarkter Tor in Klagenfurt,
Foto vor dem Abriss 1867

Befestigung der Stadt Wien
Als Domenico nach Wien berufen wurde, fand er noch die Stadtmauern aus dem Mittelalter vor. Zu ihrem Bau waren zum Teil Steine des römischen Legionslagers Vindobona verwendet worden. Dank dem Lösegeld, das Markgraf Leopold V. durch die Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz erhalten hatte, konnten die Mauern 1192 erneuert werden. Sie wurden in der Folge jedoch nicht auf einen neueren technischen Stand gebracht. Bei der Belagerung Wiens durch die Osmanen 1529 hatten die Verteidiger daher großes Glück: wegen Schlechtwetters mussten die Angreifer auf schwere Artillerie verzichten und sieglos abziehen. Jedenfalls war klar geworden, dass die Befestigungen Wiens weiteren Angriffen, die zu erwarten waren, nicht standhalten würden. Nachdem die Finanzierung sichergestellt war, beauftragte der Wiener Bürgermeister 1544 verschiedene Festungsbauingenieure, darunter Domenico, ein Verteidigungskonzept nach der italienischen Manier zu entwickeln.

Vogelschau auf Wien um 1600

Vogelschau auf Wien um 1600
Kupferstich und Radierung
von Jacob Hoefnagel, 1609
Claes Jansz Visscher, 1640

Vor den elf mittelalterlichen Mauertürmen wurden befestigte Bastionen errichtet. Man legte Gräben und gemauerte Wälle an, wobei die Erdarbeiten größtenteils von der Bevölkerung der umliegenden Dörfer in Fronarbeit geleistet wurden. Viele private Häuser mussten dabei abgerissen werden. Erst um 1650 wurden die Fortifikationen in neuer italienischer Manier erweitert. Diese Befestigungen bewährten sich bei der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken 1683 und existierten bis ins 19. Jahrhundert. Dann wurden sie demoliert und an ihrer Stelle 1865 ein Boulevard errichtet – die Wiener Ringstraße, umsäumt von prunkvollen öffentlichen Gebäuden und privaten Palais im Stil des Historismus, die das Stadtbild von Wien noch heute prägen.

Wie in Klagenfurt, tragen auch in Wien viele Orte den Namen der ehemaligen Stadttore und Bastionen, in Österreich Basteien genannt. An der teilweise noch erhaltenen Dominikanerbastei hat Domenico 1544 nachweislich als Paumeister aus Kernten gearbeitet. Dort wurde 1631-1674 die Dominikanerkirche errichtet, die übrigens von Giovanni Giacomo Tencalla aus Bissone entworfen wurde (siehe seine Biografie auf dieser Webseite).

Wien, Dominikanerbastei mit Dominikanerkirche

Wien,
Dominikanerbastei
mit Dominikanerkirche.
Im Hintergrund die Jesuitenkirche
und der Stephansdom

Aquarell von Johann Wilhelm Frey
(1830-1909)

Befestigungsarbeiten im österreichischen Grenzland

Befestigung von Radkersburg

Radkersburg an der Mur

Radkersburg an der Mur, Kupferstich von Georg Matthäus Vischer, 1681

Der Umbau der mittelalterlichen Stadtmauern in effektive Befestigungsanlagen war in der Grenzstadt Radkersburg besonders dringlich. Bereits 1484 hatte der ungarische König Matthias Corvinus das Städtchen erobert und 10 Jahre lang besetzt. Domenico begann 1546 mit der Modernisierung der Verteidigungsanlagen. Die Arbeiten zogen sich unter seinem Nachfolger Francesco Tibaldi noch bis 1591 hin, und Radkersburg wurde zur Reichsfestung erklärt. Sie blieb bis 1773 bestehen und musste dann Wohnhäusern weichen, jedoch sind einige Bastionen und Gräben der ursprünglichen Anlage noch heute zu sehen.

Kapuzinerbastei, erbaut nach Plänen von Domenico dell'Allio

Kapuzinerbastei,
erbaut nach Plänen
von Domenico dell'Allio ab 1546

Als Folge des ersten Weltkriegs wurde Radkersburg zwischen zwei Ländern aufgeteilt und erlitt einen wirtschaftlichen Niedergang. Erst der Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union brachte die durch eine Brücke getrennten Stadtteile einander wieder näher.

Die Radkersburger Bürger haben Domenico, der ihren Vorfahren Schutz gegen Ungarn und die Türken ermöglichte, nicht vergessen. Ihm zu Ehren trägt die Allee entlang der Hohlen–Bastei seinen Namen.

Blick von der Domenico dell Allio-Allee auf die Hohle–Bastei

Blick von der
Domenico dell Allio-Allee
auf die Hohle–Bastei,
die Pfarrkirche und
Grad Gornja Radgona
(dt. Schloss Oberradkersburg)
in Slowenien

Befestigung von Fürstenfeld

Fürstenfeld im Jahre 1668

Fürstenfeld im Jahre 1668,
Stich von H. Urschler, 1668

Im Unterschied zu Bad Radkersburg ist hier die von Domenico geplante und von 1556 bis 1581 erbaute Anlage noch rundum begehbar: 2011 rief die Gemeinde das Projekt Festungsweg Fürstenfeld ins Leben. Die Besucher können zu Fuß oder per Rad die 3.5 km lange Strecke über alle Bastionen zurücklegen. Gleichzeitig kann man auch den Spuren des Johanniterordens nachgehen, der Ende des 12. Jahrhunderts an der Stadtmauer ein Hospiz, ein Spital und eine Kirche errichtet hatte. Ausgangs- und Endpunkt der Tour ist die Pfeilburg.

Schloss Pfeilburg aus dem 13. Jahrhundert

Pfeilburg
aus dem 13. Jahrhundert,
im Renaissance-Stil
umgebaut ca. 1550

Der in die Pfeilburg integrierte mittelalterliche Wehrturm ist der einzige erhaltene Teil der im 13. Jahrhundert errichteten Ringmauer um die Stadt. Das Gebäude wurde um 1550 im Renaissance-Stil umgebaut, ab 1691 diente es als Tabakfabrik. Heute, nach sorgfältiger Renovierung, beherbergt Schloss Pfeilburg das Stadtmuseum, in dem die schreckliche Zeit der Türkenkriege eindrücklich dargestellt ist.

Auch die Fürstenfelder Bürger ehren Domenico: 2003 wurde der De Lalio Brunnen angelegt.

De Lalio Brunnen in Fürstenfeld

De Lalio Brunnen
in Fürstenfeld,
Steiermark, 2003

Befestigung der Stadt Triest

Befestigungen der Stadt Triest

Kupferstich von Johann Weikhard von Valvasor, 1689

Das Kastell von San Giusto in Triest entstand in vier Bauphasen von 1471 bis 1630 und diente zur Kontrolle der Stadt durch den Kaiser bzw. seinen Statthalter, genannt Capitano, der dort residierte. Domenico errichtete in der dritten Bauphase zwischen 1553 und 1561 die nach ihm benannte Bastion Lalio, die - im Unterschied zu den venezianischen runden Bastionen - eine eckige Form aufweist. Heute ist das Kastell ein Museum, und in der Bastion Lalio befindet sich eine Sammlung antiker römischer Skulpturen und Steinfragmente, das Lapidario Tergestino.

Kastell von San Giusto, Triest (I)

Kastell von San Giusto, Triest (I)

Befestigung der Stadt Graz
1545 wurde Domenico zum Generaldirektor der Festung Graz bestellt, die im Guinness-Buch der Rekorde als stärkste Festung aller Zeiten vermerkt ist. Folgende Ansicht zeigt die imposanten Befestigungen von Graz siebzig Jahre nach Domenicos Tod. Berühmte Festungsingenieure wie Francesco Tibaldi, Sallustio Peruzzi, Pietro Ferrabosco und Simone Genga haben nach Domenico an der Stadtbefestigung weitergearbeitet.

Graz, Kupferstich von Laurenz van de Sype

Graz,
Kupferstich von
Laurenz van de Sype /
Lavierung Wenzel Hollar,
1626/1627

Der Name Graz kommt vom slowenischen Wort gradec und bedeutet kleine Burg. Die Grazer Burg auf dem 464 Meter hohen Schloßberg wurde dank seiner günstigen Lage und effektiven Verteidigungsanlagen nie erobert. Auch nicht von Napoleons Truppen während der Belagerungen 1797, 1805 und 1809. Allerdings griff Napoleon zu einer List und verlangte im Frieden von Schönbrunn 1809 die Schleifung aller Befestigungen. Zum Glück konnten die Grazer den Abriss des Glockenturms und des Uhrturms durch eine hohe Lösegeldzahlung verhindern. 3000 Gulden war das den Grazern wert, nach heutiger Kaufkraft ca. 87.000 Euro!
Die Bastionen wurden in späteren Jahren zum Teil wieder aufgebaut und in öffentliche Gartenanlagen verwandelt.

Stallbastei und Türkenbrunnen, erbaut von Domenico dell'Allio 1544

Stallbastei und Türkenbrunnen, erbaut von Domenico dell'Allio 1544, wieder aufgebaut 1978/79

Einer der strategisch wichtigsten Teile einer Festung ist natürlich die Wasserversorgung. Domenico schuf zwei Brunnen: den Türkenbrunnen, fälschlich so benannt nach den Kriegsgefangenen aus dem Grenzland, die am Bau des 94 Meter tiefen Schachts beteiligt waren, und eine 15 Meter tiefe Zisterne. Beide Brunnen sind bis heute erhalten.

Die 900.000 Liter fassende Zisterne wurde allerdings zum Problemfall. Obwohl sie aufgrund der geologischen Gegebenheiten nicht dicht sein konnte, wurde 1570 ein Teil des nachgelassenen Vermögens von Domenico für die Reparaturarbeiten herangezogen.

Bürgerbastei, erbaut von Domenico dell'Allio 1551-1556

Bürgerbastei,
erbaut von
Domenico dell'Allio
1551-1556,
Uhrturm von 1265

Die Bürgerbastei trägt ihren Namen daher, weil sie im Angriffsfall von den Grazer Bürgern verteidigt werden musste, während die Verteidigung der Festung dem Landesherrn oblag. Auf der Bürgerbastei steht seit 1256 auch das Wahrzeichen von Graz: der Uhrturm. Seine Besonderheit liegt in den verkehrten Zeigern – die Stunden zeigt der große, die Minuten der kleine Zeiger an.

Blick vom Schloßberg, vorne die Bürgerbastei, Graz

Blick vom Schloßberg,
vorne die Bürgerbastei,
im Hintergrund
die Altstadt von Graz

Für Besucher ist der Schloßberg über eine Treppe zu erklimmen oder bequem mit einer Standseilbahn oder einem Lift zu erreichen. Das historische Zentrum von Graz mit dem Schloßberg zählt seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe. 2003 war Graz Europäische Kulturhauptstadt.

Zivile Bauten

Von den vielen nicht militärischen Bauten, die Domenico geschaffen hat, können wir nur einige herausgreifen.

Schloss Neuhaus an der Donau in Oberösterreich

Schloss Neuhaus an der Donau,

Schloss Neuhaus
an der Donau,
Oberösterreich,
Stich von
Georg Matthäus Vischer,
1674

Den Auftrag für den Umbau der alten Burg, 115 Meter über dem steilen Ufer der Donau, erhielt Domenico auf Empfehlung von Erzherzog Ferdinand. Der Besitzer Hieronymus Ricci, Freiherr von Sprinzenstein, war der Sohn des berühmten Schriftgelehrten Paolo Ricci, der auch Leibarzt und Berater des Kaiserhofs war. Domenico erstellte 1553 einen Plan für den Umbau des Wohnturms (Palas) des sogenannten alten Schlosses.

Schloss Neuhaus an der Donau

Schloss Neuhaus,
Palas mit Treppenaufgang,
Umbau nach Plan
von Domenico dell'Allio,
um 1555

Heute ist dieser Teil der riesigen Schlossanlage nicht mehr bewohnt.

Bauten an der Grazer Burg
Neben den Festungsarbeiten zählten zu Domenicos Aufgaben auch einige Anbauten an die Grazer Stadtburg am Fuße des Schloßbergs, die durch einen Fluchtgang mit der Festung verbunden war.

Grazer Burg, Stich von Andreas Trost, um 1700

Grazer Burg, Stich von Andreas Trost, um 1700
Archiv Universalmuseum Johanneum, Graz

Erzherzog Ferdinand beauftragte 1554 Domenico unter anderem mit dem Bau eines Renaissance-Portals, das auf dem obigem Stich und im folgenden Bild zu sehen ist.

Grazer Burg, Renaissance-Portal von Domenico dell'Allio

Grazer Burg, Renaissance-Portal von Domenico dell'Allio, 1554

Leider wurde Domenicos Prunktreppe, ein Juwel der Renaissance-Architektur, im 19. Jahrhundert abgerissen.

Domenico dell'Allio, Prunktreppe in der Grazer Burg, 1554

Domenico dell'Allio,
Prunktreppe in der Grazer Burg,
1554

Aus: Wastl J.,
Das Landhaus in Graz,
1890

Heute dient die Burg als Sitz des steirischen Landeshauptmanns.

Das Landhaus in Graz
Nach dem Erfolg mit der Prunktreppe in der Burg erhielt Domenico einen Auftrag von ungewöhnlicher Seite, nämlich vom Landtag, in dem die Vertreter des mehrheitlich protestantischen Adels und des Bürgertums sassen. Für den Entwurf eines neuen Versammlungs- und Repräsentationsgebäudes bot man Domenico ein Gehalt von rund 1500 Gulden pro Jahr, das Vierfache des Verdienstes eines Festungsbaumeisters! (1 Gulden hatte damals eine Kaufkraft von ca. 50 Euro). Der Bau wurde von 1557 bis 1565 nach Domenicos Plänen errichtet und später erweitert, wobei er aber seinen typischen Renaissance-Charakter bewahrte. Heute ist das Landhaus Sitz der Landesregierung der Steiermark.

Die Nord- und Westfassade im Innenhof gestaltete Domenico mit dreistöckigen Pfeiler-Arkaden im Stil lombardischer Landhäuser und Palazzi der Frührenaissance. So etwas hatten die Grazer noch nie gesehen: ein Hauch von italienischer Grandezza mitten in ihrer Stadt!

Grazer Landhaus

Grazer Landhaus,
Nord- und Westfassade
des Innenhofs von
Domenico dell'Allio,
ab 1557

Die Steinmetzarbeiten führte Giovanni Antonio Verda aus Gandria (CH) aus. Dass der Landtag mit der Zeit ging, zeigt sich auch darin, dass er Domenico bat, im Innenhof einen Uhrturm zu errichten. Es war eine der ersten öffentlichen Uhren dieser Epoche, die reich verziert war und mit einer goldenen Kugel auch die Mondphasen anzeigte. Allerdings musste der Turm bald einer Kapelle weichen und die Uhr wurde 1586 als Dachreiter auf das Landhaus montiert.

Grazer Landhaus, Nordfassade zur Herrengasse

Grazer Landhaus,
Nordfassade zur Herrengasse,
erbaut von
Domenico dell'Allio,
ab 1557

An der Außenfront hat Domenico eine spezifische Form der Fenster kreiert – bogenförmige Doppel- bzw. Drillingsfenster, verbunden durch ein Gebälk. Ihre Besonderheit liegt in der Kandelaberform der Säulchen, d.h. der Abschnürung im unteren Drittel. Nach ihrem Schöpfer erhielten sie den Namen dell-Allijev-Fenster. Domenicos Schüler und Nachfolger verhalfen dieser Erfindung zu einer weiten Verbreitung im Südosten Österreichs. In Italien und Deutschland findet man diese Formen übrigens nicht. Leider wurden später viele der zierlichen Fenster Opfer von Modernisierungen.

Grazer Landhaus, zwei- und dreibogige dell-Allijev-Fenster

Grazer Landhaus,
zwei- und dreibogige
"dell-Allijev"-Fenster

Rechts sehen Sie eine Rumortafel: Erzherzog Karl gab darauf kund, dass im Landtag Lärmen, also Rumoren, Hantieren mit Dolchen und Messern, Prügeleien etc. unter Strafe gegen Leib und Leben gestellt werden.

Nach Domenicos Tod wurde das Landhaus um vier Flügel erweitert. Die Mitarbeiter seines Bautrupps, Antonio und Francesco Marmori aus Ponna im Val d'Intelvi (I), führten die Arbeiten 1581-1584 im Modus ihres Meisters weiter.

Die dell'Allio-Schule

Domenicos zivilen Renaissance-Baustil haben seine Brüder, die von ihm ausgebildeten Mitarbeiter und Nachfolger – die sogenannte dell'Allio-Schule - an den Adels- und Bürgerhäusern nicht nur in Graz verwirklicht, sondern auch in ganz Innerösterreich. So etwa in Bad Radkersburg am ehemaligen Proviant- und Zeughaus, heute Stadtmuseum. In ihm ist unter anderem die Geschichte des Festungsbaus unter Domenico und späteren Baumeistern eingehend dokumentiert.

Bad Radkersburg, Altes Zeughaus, heute Stadtmuseum

Bad Radkersburg,
Altes Zeughaus,
heute Stadtmuseum,
im Allio-Stil errichtet
von Francesco Marmori
1585-1588

Francesco Marmori wurde auch der Renaissance-Umbau von Schloss Hollenegg im Stil des Grazer Landhauses übertragen.

Schloss Hollenegg, Steiermark

Schloss Hollenegg,
Steiermark,
umgebaut von
Francesco Marmori
im Allio-Stil,
um1560

Die Familie Marmori – in ihrer Heimat wegen ihres Übertritts zum Protestantismus vor die Inquisition geladen - siedelte sich in Graz an und nannte sich fortan Marbl.

Ein weiteres Beispiel für die dell'Allio-Schule ist der Krebsenkeller in Graz.

Innenhof des Krebsenkellers in Graz

Dell'Allio-Schule,
Innenhof des Krebsenkellers
in Graz mit teilweise
erhaltenen Allijev-Fenstern,
um 1575

Der dell'Allio-Stil wurde bis ins 17. Jahrhundert hinein gepflegt.

Familie und Nachfolger

Über Domenicos Privatleben ist sehr wenig bekannt. Durch eine Petition an Erzherzog Ferdinand ist überliefert, dass er sich 1547 für seine Intelveser Landsleute eingesetzt hat. Diese würden von ihrem Feudalherrn Graf Franchino Rusca unterdrückt und ungerecht behandelt. Kaiser Karl V., der Bruder Erzherzog Ferdinands, erließ daraufhin ein Dekret, um der Bevölkerung des Val d'Intelvi zur Gerechtigkeit zu verhelfen.

1556 verkaufte Domenico sein Haus in Klagenfurt und verlegte seinen Hauptwohnsitz nach Graz, wo er bereits 1530 ein Haus erworben hatte. 1560 heiratete seine Tochter Magdalena den Hofbaupolier aus Domenicos Team, Marco Dionisio Taddei aus Gandria (CH). Im Heiratsbrief wird erwähnt, dass die Braut 224 Gulden Heiratsgut, zuzüglich 448 Gulden Morgengabe vom Bräutigam - also 672 Gulden eigenes Vermögen besitzt. In der Urkunde ist Magdalenas Mutter nicht genannt, was vermuten lässt, dass Domenico bereits Witwer war. Domenicos Poliere Benedetto della Porta und Pietro Taddei, der Bruder des Marco Dionisio, nannten sich ab 1564 weiland Domenico De Lalio's ehemalige Poliere und dessen nachgelassene Erben Gewaltträger und setzten Domenicos Werk fort.

Literatur

Links


© E. Mitterhuber 2015

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