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Fjodor Bruni
Maler |
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geb. 10. Juli 1799 |
Mailand (Vater: Antonio Baroffio aus Mendrisio; Mutter: Magdalena Bossart aus Würzburg) °° Angelica Serni |
gest. 30. Aug. 1875 |
St. Petersburg |
Fjodor Bruni, Selbstportrait, ca. 1815-1820, Russisches Museum, St. Petersburg
Fjodor Bruni war ein Maler, der vor allem für seine Ölgemälde, Fresken und Zeichnungen zu Themen aus der russischen Geschichte, der Mythologie und der Bibel berühmt wurde. Neben dem genau gleichaltrigen Karl Brüllow war er der bedeutendste Maler Russlands in der Zeit des klassizistischen und akademischen
Stils. 1855 wurde er zum Rektor der Akademie der Schönen Künste in St. Petersburg ernannt und erlebte noch die große Wende in der russischen Malerei: die junge Generation von Künstlern begann, außerhalb des Ateliers im Freien zu malen und sich der Beschreibung der Natur und des täglichen Lebens zuzuwenden.
Herkunft und Ausbildung
Getauft wurde Fjodor als Fedele Baroffio. Im gleichen Jahr, 1799, wurden auch der Dichter Alexander Puschkin und der Maler Karl Brüllow geboren, mit denen er später befreundet war. Sein aus Mendrisio stammender Vater Antonio, ebenfalls Maler und Zeichner, arbeitete damals in Mailand und machte Entwürfe für die Prägung von Münzen. Doch dann ereignete sich etwas, das uns Giuseppe Martinola in seinem Buch I diletti figli di Mendrisio wie folgt schildert:
Eines Tages wurde Baroffio [von den Franzosen] beschuldigt, aus der Münzanstalt acht venezianische Dukaten gestohlen zu haben, und in Abwesenheit [zu 20 Jahren Gefängnis] verurteilt ...[Die Lombardei stand seit 1797 unter der Herrschaft Napoleons, der sich im Mai 1805 im Mailänder Dom zum "König von Italien" krönen ließ.] ... So machte sich Antonio 1807 auf den Weg nach St. Petersburg. Und dies nicht ohne Grund, denn dort war er sicher, an die Tür von zwei einflussreichen Bürgern von Mendrisio klopfen zu können: General Bernardo Lezzani [in Russland = Boris Lezzano] und dessen Bruder Antonio, der Berater am Hof war. Die Zukunft war also gesichert, und im Jahr darauf ließ er seine Frau Magdalena und die drei Kinder Sofia, Fedele und Konstantin zu sich kommen. Von nun an begann für Baroffio ein zweites, völlig russisches Leben. Vorsichtshalber änderte er auch seinen Namen in Bruni, wahrscheinlich um 1810, als Napoleon den Plan fasste, Russland anzugreifen.
Tatsächlich fand Antonio Arbeit als Restaurator von Gemälden im Katharinenpalast von Zarskoje Selo (heute Puschkin genannt) und als Zeichenlehrer am dortigen Lyzeum, das auch der künftige Dichter Alexander Puschkin besuchte. Bereits mit 10 Jahren kam Fjodor an die Schule der Akademie und erhielt dort eine Ausbildung als Maler, die er 1818 abschloss.
Jedoch fand sein Vater, dass für eine breitere kulturelle Basis ein Aufenthalt in Italien unerlässlich sei. Zum Glück war das Talent des jungen Fjodor der Fürstin Zinaida Wolkonskaja (1792-1862) aufgefallen, die damals einen viel besuchten Salon
führte und selbst dichtete und sang. Sie ermöglichte ihm einen ersten Aufenthalt in Rom, dem weitere folgen sollten. Denn ab 1829 bis zu ihrem Tod lebte Zinaida im Palazzo Poli beim Trevi-Brunnen sowie in der Villa Wolkonsky (heute Residenz des englischen Botschafters) und wurde zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens.
Hier sehen wir sie in der Hauptrolle der Oper Tancredi von Gioachino Rossini, die 1813 in Venedig uraufgeführt und bald sehr populär wurde.
Gemälde mit geschichtlichen Themen
Einen ersten Erfolg hatte der junge Maler mit diesem großen Ölbild, das er 1824 im Auftrag von Fürst Iwan Barjatinskij geschaffen hatte. Es wurde im Kapitol in Rom ausgestellt und kam erst 10 Jahre später nach St. Petersburg.
Die Szene aus der Römischen Geschichte von Livius (59 v.Chr. - 17 n.Chr.) beschreibt den Kampf von drei Brüdern aus der Familie Horatius gegen drei Brüder aus der Familie Curatius. Am Schluss bleibt nur einer der Brüder Horatius übrig. Aber er entdeckt, dass seine Schwester Camilla mit einem Curatius verlobt war, und erschlägt sie.
Während zwei weiteren Aufenthalten in Rom kopierte Fjodor, zusammen mit Karl Brüllow, im Auftrag der Petersburger Kunstakademie einige Fresken von Raffael in den Vatikanischen Gemächern. 1836 kehrten beide nach Russland zurück und wurden zu Professoren an der Akademie ernannt.
1840 vollendete Fjodor in Rom ein 1826 begonnenes Gemälde riesigen Ausmaßes - über 5 x 8 Meter - mit dem Titel Moses richtet die eherne Schlange auf. Es erregte großes Aufsehen und wurde 1841 per Schiff nach St. Petersburg transportiert. Zar Nikolaus I. (reg. 1825-1855) kaufte es für 70.000 Rubel und ließ es in den Winterpalast bringen. Heute hängt es im Russischen Museum neben Brüllows Gemälde Der letzte Tag von Pompei.
Dargestellt ist eine Szene, die sich nach dem Auszug aus Ägypten beim Durchqueren der Wüste ereignete. Im Alten Testament, im 4. Buch Mose, 21: 4-9 wird berichtet: Da sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nehme.
Und Mose bat für das Volk. Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.
Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biß, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.
Fjodor Bruni,
Moses richtet die eherne
Schlange auf,
Detail, 1826-1841,
Russisches Museum,
St. Petersburg
Die Restaurierung des Gemäldes dauerte mehrere Jahre und war 2003 abgeschlossen. Dabei entfernte man sieben Schichten von Firnis, sodass die ursprünglichen Farben wieder zum Vorschein kamen, und im Hintergrund entdeckte man die Bundeslade mit den zehn Geboten, die jeweils auf den Wanderungen des Volkes mitgetragen wurde. Die Frau rechts im Bild, mit dem gestreiften Überwurf, gleicht angeblich Brunis Frau Angelica.
Gemälde und Fresken mit religiösen Themen
Nach seiner Ernennung zum Professor erhielt Bruni den Auftrag, 25 Fresken für die Isaaks-Kathedrale in St. Petersburg zu entwerfen. Er malte sie in den Jahren 1841-1845 in Rom zuerst auf Kartons, die heute im Russischen Museum in St. Petersburg aufbewahrt sind.
Einige der Fresken führte er persönlich aus, die restlichen malten seine Schüler Karl Wenig, Pawel Pleschanow und Nikolai Xenofontow bis 1853 unter seiner Anleitung. Hier ein Beispiel.
Fjodor Bruni,
Ezechiels Vision,
Fresko in der Isaaks-Kathedrale,
St. Petersburg
In einem der letzten Bücher des Alten Testaments, Ezechiel Kap. XXXVII, wird die Vision des Propheten Ezechiel beschrieben: ... Der Herr versetzte mich mitten in die Ebene. Sie war voll von Gebeinen .. sie waren ganz ausgetrocknet. Er fragte mich: Menschensohn, können diese Gebeine wieder lebendig werden? .... So spricht Gott, der Herr zu diesen Gebeinen: Ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig.
Fjodor Bruni,
Das Haupt Christi
mit der Dornenkrone
Tusche und Pinsel auf Papier,
19 x 19,2 cm,
Privatsammlung Moskau
Stiche zu Themen aus der russischen Geschichte
Im Jahre 1826, kurz nach dem Tod des Autors der ersten umfassenden Geschichte des russischen Staates, Nikolai Karamsin (1766-1826), begann Bruni mit Illustrationen zu diesem 1818 erschienenen Werk. Hier sind zwei Beispiele. Die erste Szene ereignete sich im Krieg zwischen dem Kiewer Reich (Rus) und Byzanz. Mit 200 Schiffen umzingelten die Russen die Stadtmauern von Konstantinopel und begannen, die Stadt zu plündern. Doch nach der plötzlichen Rückkehr des byzantinischen Kaisers Michael III. kam ein Sturm auf und zerstreute die russischen Boote.
Fjodor Bruni, Der Untergang der russischen Flotte bei Konstantinopel im Jahre 860,
Russisches Museum, St. Petersburg
Die zweite Szene spielt im Jahre 907, als der Kiewer Fürst Oleg mit rund 2000 Schiffen Konstantinopel angriff und einen Sieg errang.
Fjodor Bruni, Die Belagerung von Konstantinopel im Jahre 907: Fürst Oleg heftet seinen Schild an die Stadtmauer, Russisches Museum, St. Petersburg
Zehn von insgesamt 28 Stichen, die Bruni anfertigte, wurden in einem Album publiziert: Ereignisse aus der russischen Geschichte, gezeichnet und graviert vom Professor für Malerei F. Bruni, mit erläuternden Texten von M. Reswij. Herausgegeben von der Gesellschaft zur Förderung der Künstler, St. Petersburg, 1839. Alle 28 Stiche befinden sich heute im Russischen Museum in St. Petersburg, jedoch gingen die von Bruni eigenhändig gravierten Kupferplatten verloren.
Portraits
Es sind nur wenige Portraits von Fjodor Bruni erhalten oder bekannt. Hier zeichnete er Gräfin Sofia Komarowskaja, Schwester des jung verstorbenen Dichters Dmitrij Wenewitinow (1805-1827).
Auch seine lebenslange Gönnerin, die Puschkin einmal "Zarin der Musen und der Schönheit" nannte, hielt er in zarten Tönen fest:
Fjodor Bruni,
Portrait der Fürstin
Zinaida Wolkonskaja
(1792-1862), ohne Datum
Quelle:
www.liveinternet.ru/users/
3370050/post116645310/
Von Fjodors Freundschaft mit Alexander Puschkin zeugt diese Zeichnung. Im Januar 1837 war der Dichter bei einem Duell tödlich getroffen worden.
Fjodor Bruni,
Der Dichter
Alexander Puschkin
auf dem Totenbett, 1837
Puschkin Museum, Moskau
Ämter und Auszeichnungen
1849 wurde Fjodor Bruni zum Kurator der Bildergalerie des Eremitage-Museums und 1855 zum Rektor der Kunstakademie für Malerei und Bildhauerei in St. Petersburg ernannt. Letzteres Amt bekleidete er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1871.
Apollinarij Gorawskij (1833-1900),
Portrait des Malers Fjodor Bruni,
1871 Öl auf Leinwand,
105,4 x 78,5 cm, Tretjakow-Galerie,
Moskau
Ferner war er Ehrenmitglied der Kunstakademien in Bologna und Mailand sowie Ehrenprofessor an den Kunstakademien in Florenz und Rom.
Familie
Fjodors Vater Antonio lebte seit 1820 in Moskau und starb 1825 in der Nähe von Kursk, wahrscheinlich bei Dekorationsarbeiten im Gut Marijno des Fürsten Iwan Barjatinskij, wo gerade die Architekten Wassilij Stassow und Luigi Pelli aus Aranno mit Neubauten beschäftigt waren.
Der jüngere Bruder Konstantin wurde Bergbauingenieur und Verwalter der Güter der bereits erwähnten Fürstin Zinaida Wolkonskaja. Er hatte fünf Kinder, von denen zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Musiker abstammen
(siehe Stammbaum auf dieser Webseite). Im Jahre 2004 wurde anläßlich eines Konzerts der Geiger Alexej Bruni aus Moskau zum Patrizier
von Mendrisio gekürt!
Verheiratet war Fjodor mit der Italienerin Angelica Serni, die ihm 1843 in Rom einen Sohn, Julius, und eine Tochter, Luise, gebar. Fjodor Bruni starb am 30. August 1875 in St. Petersburg und wurde auf dem Alexander Newskij-Friedhof begraben.
Literatur
- Antonov V.: I Bruni in Russia, in: Bollettino Storico della Svizzera Italiana, 1980
- Martinola G.: I diletti figli di Mendrisio, Ed. Dadò, Locarno, 1980
Links
- Fjodor Bruni
- Gemälde und Zeichnungen von Fjodor Bruni
- Russland um 1800-1850
- Karl Brüllow
- Zu Brunis Bild Der Tod der Camilla
- Isaaks-Kathedrale, St. Petersburg
© U. Stevens 2014 / 2015