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Francesco Borromini
Architekt |
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geb. 27. September 1599 |
Bissone (Vater: Giovanni Domenico Castelli; Mutter: Anastasia Garove) |
gest. 3. August 1667 | Rom |
Portrait: Francesco Borromini, Maler unbekannt
Mit drei B beginnt ein neues Zeitalter in der Architektur und Kunst: Barock - Bernini - Borromini. Dabei steht Bernini mehr für die Skulptur und Borromini mehr für die Architektur, obwohl diese beiden Berufe damals nicht so klar abgegrenzt waren wie heute. Worin bestand also das Neue
, das sie einbrachten? Wenn bisher, während der Renaissance, strenge, gerade Linien vorherrschten, so kamen jetzt geschwungene Formen ins Spiel und verliehen den Bauten und Skulpturen eine lebendige Bewegtheit. Eine besondere Rolle kam dabei dem Licht zu, mit dem Borromini ganz ungeahnte Effekte erzielte.
Seine Lehrzeit, wie üblich zwischen 12 und 18 Jahren, machte Francesco Borromini in Mailand auf der Dombauhütte. Dann holte ihn sein Großvater, Leone Garove, der ebenfalls aus Bissone stammte und damals die Bauten am Petersdom leitete, nach Rom. Dort arbeitete auch der Architekt Carlo Maderno aus Capolago und der Bildhauer und Architekt Gian Lorenzo Bernini, dem er bei der Gestaltung des berühmten Baldachins im Petersdom assistierte.
Francescos Karriere als Architekt begann 1625 als Mitarbeiter beim Bau des Palazzo Barberini, zuerst unter der Leitung des bereits erwähnten Carlo Maderno (übrigens ein Neffe von Domenico Fontana), und nach dessen Tod im Jahre 1629 unter der Leitung von Gian Lorenzo Bernini.
Palazzo Barberini in Rom,
Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert.
Heute beherbergt er
die Galleria Nazionale d'Arte Antica
Eines seiner ersten selbständigen Werke ist dieses spiralförmige Treppenhaus im Südflügel, das bereits einen Vorgeschmack seiner künftigen gewagten Entwürfe gibt.
Bald erhielt er eigene Aufträge und wurde 1632 zum Architekten der Universität von Rom ernannt. In dieser Eigenschaft errichtete er unter anderem die Kirche und das Kloster San Carlo alle Quattro Fontane, die Universitätskirche Sant'Ivo alla Sapienza und verwandelte die Basilica San Giovanni im Lateran in eine barocke Kirche.
Als Beispiel seines besonderen Stils sehen Sie hier die relativ kleine und heute zwischen Wohnhäusern eingeklemmte Kirche San Carlo alle Quattro Fontane, auch San Carlino genannt.
Sowohl an der Fassade, als auch im Inneren sind die Linien wellenartig gebogen, abwechselnd konkav und konvex, sodaß sich der Eindruck von beschwingter Leichtigkeit ergibt.
Der ganze Raum ist mit Ausnahme weniger Farbtupfer in Weiß gehalten und wirkt daher ruhiger als spätere, oft überladene barocke Kirchen. Die ovalen Stuckmedaillons oben wurden ca.1650 von Giuseppe und Giulio Bernasconi aus Riva San Vitale geschaffen. Eine sehr eigenwillige Kreation ist die Kuppel in Form einer Ellipse mit geometrischen Elementen - Vierecke, Sechsecke, Kreise, Kreuze -, die wie Bienenwaben angeordnet sind. Die Laterne in der Mitte und die beiden Fenster an der Kuppelbasis lassen das Sonnenlicht herein, das je nach Tageszeit ganz unterschiedliche Stimmungen hervorruft.
In kirchlichen Kreisen rief dieses Werk große Bewunderung hervor und Borromini erhielt weitere Aufträge: für das Oratorium und das Kloster San Filippo Neri und die Universitätskirche Sant'Ivo alla Sapienza.
Rom,
Fassade der Universitätskirche
Sant'Ivo alla Sapienza,
Architekt Francesco Borromini,
1643-1662
Auch hier sind alle Formen rund, und die Kuppel endet in einer spiralförmigen Spitze.
Ab 1647 verwandelte er auf Wunsch von Papst Innozenz X. die Lateranbasilika in eine barocke Kirche, und 1653-57 leitete er den Bau der Kirche Sant'Agnese an einem der schönsten Plätze in Rom.
Auch im Inneren arbeiteten Bildhauer aus dem Tessin und dem Val d'Intelvi: Antonio Raggi aus Morcote und Ercole Ferrata aus Pellio inferiore.
Inneres der Kirche Sant'Agnese in Rom, Architekt Francesco Borromini, mit Reliefs von Antonio Raggi und Ercole Ferrata
Francesco hatte immer nach seinem oft zitierten Motto gelebt: Chi segue altri non gli va mai inanzi. Ed io al certo non mi sarei posto a questa professione col fine d'esser solo copista.
(Wer anderen folgt, kommt nie vorwärts. Und ich hätte sicher nicht diesen Beruf gewählt, wenn ich nur andere hätte kopieren wollen. Aus: Opus architectonicum).
Im Sommer 1667 überkamen ihn Erschöpfung und Depressionen. In einem Wutanfall wollte er seinem Leben ein Ende setzen und stieß sich einen Dolch in die Brust. Da er keine eigene Familie hatte, wurde er im Grab seines Lehrers und väterlichen Freundes Carlo Maderno in der Kirche San Giovanni dei Fiorentini beigesetzt.
Sein zwischen 1648 und 1656 verfasstes Werk Opus architectonicum wurde 1725 erstmals gedruckt und 1993 von M. De Benedictis im Verlag De Rubeis in Rom neu herausgegeben. Der grösste Teil seiner Zeichnungen befindet sich heute in der Graphischen Sammlung Albertina in Wien.
Literatur
- Eine Liste aller Bauten Francesco Borrominis und umfangreiche Literaturhinweise finden Sie unter:
- Francesco Borromini
- it.Wikipedia, Francesco Borromini
Links
- Kirche San Carlo alle Quattro Fontane
- Kirche Sant'Agnese
- Kirche Sant'Ivo alla Sapienza
- Gian Lorenzo Bernini
- Die Forschung über Borromini geht weiter. Im Jahre 2017 erschien online die Broschüre Francesco Borromini. L'austerità come fonte di innovazione e di progettualità, mit einigen Beiträgen über die Laufbahn des Architekten. Hier ist der Link dazu: Francesco Borromini
Nachtrag
Obwohl Borromini, im Gegensatz etwa zu Domenico Fontana, keine Schüler ausbildete, wurden seine Ideen von zahlreichen nachfolgenden Architekten aufgegriffen. Dazu gehört Camillo Guarino Guarini (1624-1683), dem vor allem Borrominis geschwungene Fassaden gefielen. Ein Beispiel ist die Kirche SS. Annunziata in Messina, die leider beim Erdbeben von 1908 einstürzte.
Santissima Annunziata dei Teatini,
Messina, Sizilien.
Architekt Guarino Guarini, 1662
Aufnahme von 1870
Überhaupt sind nur wenige Bauten von Guarini erhalten geblieben. Dennoch hatten seine Entwürfe und seine Schrift über kirchliche Architektur einen nachhaltigen Einfluß, insbesondere auf einen jungen Architekten aus Syrakus, Rosario Gagliardi (1687-1762).
Es war ein gewaltiges Erdbeben, das 1693 den Südosten von Sizilien erschütterte und ganze Städte in Trümmer legte. Mit dem Wiederaufbau betraute man Gagliardi, der 6 Jahre in Messina studiert und sich intensiv mit den Ideen von Guarini und Borromini beschäftigt hatte. In den Städten Noto, Modica und Ragusa schuf er zahlreiche Kirchen und Paläste. Ein Beispiel ist die Kathedrale von Ragusa mit dem wie eine Pyramide in der Mitte aufragenden Glockenturm, der eine Art Markenzeichen Gagliardis wurde.
Der Einfluß Borrominis ist unverkennbar. Vergleichen Sie diese Fassade der Kirche San Carlo in Noto mit derjenigen von Borrominis San Carlino in Rom (Abb. weiter oben).
Im Jahre 2002 erklärte die UNESCO acht Städte der Provinzen Noto, Modica und Ragusa zum kulturellen Erbe der Menschheit.
Literatur
- A.A.V.V., Rosario Gagliardi e l'architettura barocca in Italia e in Europa, in Annali del Barocco in Sicilia, 3/1996, Ed. Gangemi
- Gagliardi, R., Trattato di architettura chiesastica, 1726
- Ruta, C. (Hrsg.), Barocco in Val di Noto, Edi.bi.si., Messina 2003
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